Schlachtfeld der Verfluchten
worden. Die Wucht trieb mich nach vorn, sodass ich gegen Suko stieß, der den Stoß an Karina weitergab, und so gerieten wir zu dritt ins Straucheln.
Darauf hatten die Amazonen gewartet. Nach einem schrillen Pfiff schlugen sie zu.
Es war nicht nur eine, die ihre Peitsche schwang. Zu dritt droschen sie auf uns ein, und wir hatten verdammt große Mühe, uns dieser Schläge zu erwehren. Zum Glück war das Leder nicht zu dick, aber unsere Gesichter sollten sie nicht treffen, deshalb hatten wir die Arme als Deckung hochgerissen.
Das Intermezzo dauerte nur kurz. Nach dem nächsten Pfiff ließen die Weiber ihre Peitschen sinken und schauten auf uns nieder.
Suko, Karina und ich kochten vor Wut. Ich war ein paar Mal von den Peitschenschlägen erwischt worden. Zum Glück nicht im Gesicht, sondern mehr am Körper.
Wir taten nichts. Jeder von uns hätte sich normalerweise gewehrt. Doch wir wollten zum Schlachtfeld der Verfluchten, und wir wollten die wahre Anführerin der Amazonen sehen, deshalb fügten wir uns vorerst.
Jamila hatte ihren Spaß. Sie ließ ihr Pferd auf die Hinterläufe steigen und vor uns tanzen. Das schrille Wiehern erreichte unsere Ohren wie Trompetenstöße, und vom Pferderücken aus schrie Jamila auf uns nieder, aber sie meinte mehr Karina Grischin, denn auf sie hielt sie ihren Blick gerichtet.
Karina gab ihr keine Antwort. Sie wich auch nicht zurück und blieb stehen. Wie Suko und ich war sie mit dem braunbeigen Staub der Steppe bedeckt, und an der Stirn entdeckte ich eine Wunde, aus der ein dünner Blutstreifen sickerte, denn dort hatte sie ein Peitschenhieb getroffen.
Jamila hörte plötzlich auf zu schreien. Der Grund konnte nur Karina Grischin sein, denn sie schaute zu der Amazone hoch mit einem Blick, der sogar dieses wilde Weib beeindruckte. Sekundenlang hielt sie dem Blick stand, dann fuhr sie herum und ritt wieder nach vorn an die Spitze.
»Weiter! Dawai ...!«
»Die wird was erleben, dieses Teufelsweib!«, zischelte mir Karina während einer Drehung zu. »Darauf kannst du dich verlassen. Abgerechnet wird zum Schluss.«
»Warte noch.«
»Klar, aber sie wird sich wundern!«
Wir mussten weiter. Das Dorf lag hinter uns, das Schlachtfeld der Verfluchten vor uns. Aber wann wir es erreichen würden, das war nicht abzusehen.
Die Weite der Steppe hatte uns aufgenommen. Leider senkte sich der Staub nicht, sodass wir nicht viel sehen konnten. Die ganze Welt wirkte wie in einen nieseligen Nebel getaucht. Es gab keine Stelle an unserem Körper, der von diesem feinen Staub nicht bedeckt wurde. Selbst im Mund spürte ich ihn, und ich hätte einiges für einen Schluck Wasser gegeben.
Die Peitschen schwangen sie nicht mehr. Ich glaube, wir hätten das auch nicht mehr mit uns geschehen lassen, denn auch die Geduld eines Suko war erschöpft.
Wir waren zwar in Richtung der Berge gegangen, sie selbst jedoch blieben für uns unsichtbar. So mussten wir uns weiterhin auf die verdammten Amazonen verlassen.
Ich hatte nicht auf die Uhr geschaut, als wir uns auf den Weg gemacht hatten, doch als wir das Ziel erreichten, war es noch hell. Die Formation löste sich auf. Die Frauen zogen ihr Pferde zur Seite, und etwa die Hälfte von ihnen stieg von den Tieren.
Wir waren da!
»Okay«, sagte Suko, »jetzt muss sich nur noch der Staub senken, dann werden wir sehen, was los ist.«
»Vor allen Dingen bin ich gespannt auf diese Atema.«
»Du sagst es.«
Der Staub senkte sich nur sehr langsam. Als würde ein gewaltiger Vorhang im Zeitlupentempo zur Seite geschoben. Unsere Sicht wurde besser, und so konnten wir zum ersten Mal einen normalen und nicht gestörten Blick in die Runde werfen.
Wir befanden uns in einer Senke. Der Boden sah nicht anders aus als nahe der Ortschaft. Vom langen Sommer ausgetrocknet. So hatte das Gras eine Farbe zwischen gelb und braun angenommen. Ein pulvertrockener Untergrund, der nach Wasser lechzte.
Auch Jamila war von ihrem Pferde gestiegen. Sie hatte den anderen Frauen einige Anweisungen erteilt und kümmerte sich jetzt um uns. Mit den leicht wiegenden Schritten einer Reiterin kam sie auf uns zu und blieb vor uns stehen.
»Wie fühlt man sich an einem Ort, an dem man sterben wird?«, fragte sie halblaut.
Wir waren überrascht. Karina hatte mit ihren Behauptungen richtig gelegen. Jamina sprach nicht mehr Russisch. Sie hatte uns in meiner Heimatsprache angesprochen, und da musste ich die Überraschung zunächst mal verdauen.
Ich schaute sie an. Sie stand breitbeinig vor uns, als
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