Schlachthof 5
Mächtigen, die öffentlich und privat weniger für ihre Armen haben tun müssen als jede andere herrschende Klasse seit — sagen wir — den napoleonischen Zeiten.
Viele Neuheiten sind aus Amerika gekommen. Die alarmierendste von ihnen, eine noch nie dagewesene Sache, ist eine Masse von unrühmlichen Armen. Sie mögen einander nicht, weil sie sich selbst nicht mögen.
Sobald man das begriffen hat, hört das schöne Betragen amerikanischer Unteroffiziere und Mannschaften in deutschen Gefängnissen auf, ein Rätsel zu sein.
Howard W. Campbell jr. sprach dann über die Uniform des im zweiten Weltkrieg eingezogenen Amerikaners: Jede andere Armee in der Geschichte, ob wohlbestallt oder nicht, hat versucht, sogar ihren niedrigsten Soldaten so zu kleiden, daß er auf sich und andere den Eindruck eines flotten Fachmanns im Trinken, Begatten, Plündern und gewaltsamen Tod macht. Die amerikanische Armee aber schickt ihre Mannschaften zum Kämpfen und Sterben in einem abgewandelten Straßenanzug, der ganz offensichtlich für einen anderen Mann gemacht wurde — ein sterilisiertes, aber ungebügeltes Geschenk von einer sich die Nase zuhaltenden Wohlfahrtsorganisation, die Kleidung an Trunksüchtige in den Slums verteilt.
Wenn ein schneidig gekleideter Offizier das Wort an einen derart altmodisch aufgemachten Landstreicher richtet, staucht er ihn zusammen, wie es ein Offizier in jedem Heer tun muß. Aber die Verachtung des Offiziers ist nicht, wie bei anderen Armeen, onkelhaft theatralisch. Sie ist der echte Ausdruck von Haß gegen die Armen, die niemand haben, dem sie die Schuld an ihrem Elend geben können, als sich selbst.
Ein Gefängnisverwalter, der zum erstenmal mit gefangenen Amerikanern aus dem Mannschaftsstand zu tun hat, sollte gewarnt sein: Man darf keine brüderliche Liebe, nicht einmal zwischen Brüdern, erwarten.
Es wird keinen Zusammenhalt zwischen den einzelnen geben. Jeder wird wie ein mürrisches Kind sein, das sich oft wünscht, es wäre tot.
Campbell berichtete, welche Erfahrung die Deutschen mit amerikanischen Mannschaften gemacht hatten. Überall seien sie als die Kriegsgefangenen bekannt, die sich am meisten bemitleiden, am unkameradschaftlichsten und gemeinsten sind, sagte Campbell. Sie waren unfähig, gemeinsam zu ihrem eigenen Besten zu handeln. Sie verachteten jeden Führer aus ihren eigenen Reihen, weigerten sich, ihm zu folgen oder ihn auch nur anzuhören, mit der Begründung, daß er nicht besser sei als sie selbst und aufhören solle, sich aufzuspielen. Und so weiter.
Billy Pilgrim schlief ein und erwachte als Witwer in seinem leeren Haus in Ilium. Seine Tochter Barbara machte ihm Vorwürfe, daß er lächerliche Briefe an die Zeitung schrieb.
»Hast du gehört, was ich sagte? « wollte Barbara wissen. Es war wieder 1968.
»Natürlich. « Er hatte gedöst.
»Wenn du dich wie ein Kind benimmst, werden wir dich einfach wie ein Kind behandeln müssen. «
»Das geschieht nicht als nächstes « , meinte Billy.
»Wir werden ja sehen, was als nächstes geschieht. «
Die große Barbara verschränkte jetzt die Arme. »Es ist schrecklich kalt hier drin. Ist die Heizung angestellt? «
»Die Heizung? «
»Die Ölfeuerung—das Ding im Kellergeschoß — das Ding, das heiße Luft erzeugt, die aus diesen Apparaten da herauskommt. Ich glaube nicht, daß sie angestellt ist. «
»Vielleicht nicht. «
»Frierst du denn nicht? «
»Ich habe es nicht gemerkt. «
»Oh, du meine Güte, du bist wirklich ein Kind! Wenn wir dich hier allein lassen, wirst du erfrieren, wirst verhungern. « Und so weiter. Es war sehr aufregend für sie, ihn unter dem Vorwand der Liebe aller Würde zu entkleiden.
Barbara telefonierte den Ölheizungsmann an und veranlaßte Billy, ins Bett zu gehen und zu versprechen, daß er unter der elektrisch gewärmten Decke blieb, bis die Heizung wieder funktionierte. Sie schaltete die Regulierung der Bettdecke auf die höchste Stufe ein, wodurch Billys Bett so heiß wurde, daß man Brot darin hätte backen können.
Als Barbara wegging und die Tür hinter sich zuwarf, reiste Billy zeitlich wieder zum Zoo in Tralfamadore. Gerade war ihm eine Gefährtin von der Erde zugeführt worden. Es war Montana Wildhack, ein Filmstar.
Montana stand unter starken Beruhigungsmitteln. Tralfamadorianer mit Gasmasken brachten sie herein, legten sie auf Billys Couch und zogen sich durch das Luftventil zurück. Die dichte Menge draußen war entzückt. Alle Besucherrekorde des Zoos
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