Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlachthof 5

Schlachthof 5

Titel: Schlachthof 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
Vom Netzwerk:
waren gebrochen worden. Jedermann auf dem Planeten wollte die Erdbewohner sich paaren sehen.
    Montana war nackt, und natürlich war das auch Billy. Er hatte, nebenbei bemerkt, einen gewaltigen Schwanz. Man weiß nie, wer so einen bekommt.
    Jetzt flatterten ihre Augenlider. Ihre Wimpern waren wie Peitschenschnüre. »Wo bin ich denn? fragte sie.
    »Alles in Ordnung « , sagte Billy freundlich. »Bitte, haben Sie keine Angst. «

    Montana war während ihrer Reise von der Erde besinnungslos gewesen. Die Tralfamadorianer hatten nicht mit ihr gesprochen, sich ihr nicht gezeigt.
    Das letzte, woran sie sich erinnerte, war, wie sie sich in einem Schwimmbecken in Palm Springs, Kalifornien, gesonnt hatte. Montana war erst zwanzig Jahre alt. Um den Hals hatte sie eine silberne Kette mit einem herzförmigen Medaillon hängen, das zwischen ihren Brüsten baumelte.
    Jetzt wandte sie den Kopf, um die Myriaden von Tralfamadorianern außerhalb des Kuppelbaues zu sehen. Sie spendeten ihr dadurch Beifall, daß sie ihre kleinen grünen Hände schnell öffneten und schlossen.

    Montana schrie und schrie.
    Alle die kleinen grünen Hände schlossen sich fest, denn Montanas schreckliche Angst war so unerquicklich anzusehen. Der Hauptzoowärter befahl einem Kranführer, der dabeistand, einen marineblauen Baldachin über die Kuppel zu breiten, um so im Innern irdische Nacht zu simulieren. Wirkliche Nacht wurde es im Zoo in Abständen von jeweils zweiundsechzig Stunden nur eine irdische Stunde lang.

    Billy knipste eine Bodenlampe an. Das Licht von dieser einzigen Quelle zeichnete die barocken Konturen von Montanas Körper in scharfem Relief ab. Billy wurde an den phantastischen Baustil Dresdens erinnert, bevor es zerbombt wurde.
    Nach und nach fand sich Montana bereit, Billy Pilgrim zu lieben und ihm zu vertrauen. Er rührte sie erst an, als sie ihm zu verstehen gab, daß sie das von ihm wollte. Nachdem sie bereits eine irdische Woche lang in Tralfamadore gewesen war, fragte sie ihn schüchtern, ob er nicht mit ihr schlafen wollte. Was er tat. Es war himmlisch.
     
    Und Billy reiste zeitlich von diesem köstlichen Bett zu einem Bett im Jahre 1968. Es war sein Bett in Ilium, und die elektrische Decke war bis auf höchste Stärke geschaltet. Er war in Schweiß gebadet und erinnerte sich halb betäubt, daß seine Tochter ihn ins Bett gesteckt und ihm gesagt hatte, darin zu bleiben, bis die Ölheizung in Ordnung gebracht war.
    Jemand klopfte an seine Schlafzimmertür.
    »Ja? « sagte Billy.
    »Der Mann für die Ölheizung. «
    »Ja? «
    »Es fließt jetzt wieder richtig. Die Wärme kommt herauf. «
    »Gut. «
    »'ne Maus hat den Draht vom Thermostat durchgenagt. «
    »Verflixt noch mal! «
    Billy zog schnuppernd die Luft ein. Sein heißes Bett roch wie ein Champignonkeller. Er hatte einen nassen Traum von Montana Wildhack gehabt.

    Am Morgen nach diesem nassen Traum beschloß Billy, zurück an die Arbeit in seinem Büro am Marktplatz zu gehen. Das Geschäft blühte wie gewöhnlich.  Seine Mitarbeiter wickelten es reibungslos ab. Sie waren überrascht, als sie ihn sahen. Seine Tochter hatte ihnen gesagt, das er wohl nie mehr seinen Beruf würde ausüben können.
    Aber Billy ging unbeschwert in sein Untersuchungszimmer und bat, daß man den ersten Patienten hereinschickte. Also schickte man ihm einen herein — einen zwölfjährigen Jungen, der von seiner verwitweten Mutter begleitet wurde. Sie waren Fremde, neu in der Stadt. Billy fragte die beiden ein wenig über sie aus und erfuhr, daß der Vater des Jungen in Vietnam gefallen war — in der berühmten fünftägigen Schlacht um den Hügel 875 bei Dakto. So geht das.
     
    Während er die Augen des Jungen untersuchte, erzählte Billy ihm sachlich von seinen Abenteuern auf Tralfamadore, versicherte dem vaterlosen Jungen, daß sein Vater noch sehr lebendig sei in Augenblicken, die der Junge immer wieder sehen würde.
    »Ist das nicht tröstlich? « fragte Billy.
    Und irgendwo dort drinnen lief die Mutter des Jungen hinaus und sagte der Sprechstundenhilfe, daß Billy offensichtlich verrrückt geworden sei. Billy wurde nach Hause gebracht. Seine Tochter fragte ihn wieder: »Vater, Vater, Vater — was sollen wir nur mit dir machen? «
     

6
     
    Hört zu:
    Billy Pilgrim sagt, er sei am Tag nach seiner Morphiumnacht im britischen Revier inmitten des Vernichtungslagers für russische Kriegsgefangene nach Dresden gefahren. Billy wachte an jenem Januartag gegen Morgengrauen auf. Es gab kein Fenster in

Weitere Kostenlose Bücher