Schläft das Personal auch an Bord?
nicht genug. Sobald das der Fall ist, muss dieser Vorfall im nächsten anzulaufenden Hafen gemeldet werden, damit die sogenannten »Authorities« des betreffenden Landes an Bord kommen können, um sich der Sache anzunehmen. Denn die wollen von Amts wegen feststellen, ob es sich um ein natürliches Ableben handelt oder eine »exit-orientierte« Maßnahme mitreisender Erben, Nebenbuhler oder mit niederen Motiven ausgestatteter Zeitgenossen. So etwas kann sich hinziehen und gehört sicherlich nicht in die Rubrik »Meine schönsten Ferienerlebnisse«. Für den Bewohner des oben erwähnten Kühlraums sowieso nicht, aber auch nicht für seine Angehörigen.
Aus diesem Grund wünschen wir allen Mitpassagieren unentwegt jede Menge Gesundheit, Glück auf allen Seewegen und liebevolle Angehörige, die nur eins wollen: Gemeinsam einen schönen, harmonischen und glücklichen Urlaub auf See verbringen. Wobei die Betonung auf »gemeinsam« liegt.
Jetzt verstehen Sie, warum von der Existenz dieses »Kühlraumes« kein großes Aufheben an Bord gemacht wird, schließlich geht es bei einer Kreuzfahrt um eine möglichst angenehme Gegenwartsgestaltung – nicht um unser aller finale Zukunft.
Und? Erzeugt die hier kurz in Erinnerung gerufene Endlichkeit unseres Seins beim Kreuzfahrtbegeisterten jetzt Trübsinn? Absolut nicht. Ist er doch ein Experte für das Hier und Jetzt, der sich sein Leben mit beiden Armen nimmt
Anmerkung
, es ans Herz drückt und mit allen Sinnen genießt.
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Klabautermann
Ob Sie es glauben oder nicht, aber der Seemann hält ihn für real. Bis heute. Im Zeitalter des Internet und der ubiquitären Kommunikation. Tatsache! Nun könnte man natürlich hingehen und das Ganze als Seemannnsgarn abtun. Oder als eingeschränkte Hirntätigkeit respektive mentale Schlichtheit maritim ausgedörrter Hirne. Aber wie das Leben lehrt, erfährt man mit solchen Diskriminierungen niemals den Grund einer bestimmten Denkhaltung. Bestenfalls kommt man so zu einem semi-toleranten »Na ja, wenn’s hilft«.
Um die Antwort auf das »Warum?« zu bekommen, muss man deshalb erst mal fragen, WAS der Seemann im Klabautermann sieht. Wir Landratten machen uns nämlich eine falsche Vorstellung vom Sinn und Zweck dieses maritimen »Unholds«. Der gute Mann, dessen »klabauter« vom niederdeutschen »klabastern« kommt, was so viel wie »lärmen« und »poltern« heißt, gehört zum schleimigen Gefolge Neptuns, hat die äußere Gestalt eines »Waldschrates der Meere« und ist KEIN Bösewicht, sondern – ein positiver Geist, der den Kapitän vor Gefahren warnt. Aha!
Zweitens ist interessant zu erfahren, woran der Seemann die Existenz des Klabautermanns festmacht. Mir haben dazu gestandene Fahrensleute in vollem Ernsterzählt, dass es viele merkwürdige Dinge an Bord gibt, die man sich nun mal nicht anders erklären könne. Wie zum Beispiel unerklärliche Lichterscheinungen oder rätselhafte Wetterwechsel, die man trotz satellitengestützter Informationen nicht erwarten konnte.
»Manchmal gibt es auch merkwürdige Klopfgeräusche an der Schiffshaut«, erklärte mir ein junger Kapitän seinen Klabauterglauben, »für die du keine Erklärung hast. Bei näherem Hinschauen stellst du fest: Da klopft gerade keiner Rost, da arbeitet nicht das Metall durch Temperaturunterschiede, da hat der Chief (⇒ siehe dazu »Offiziere«) niemanden im Einsatz, der bei der Arbeit solche Geräusche von sich geben könnte – und trotzdem klopft es. Ich habe schon mehrmals das halbe Schiff auf den Kopf stellen lassen, weil ich der Sache auf den Grund gehen wollte. Es hätte ja Gefahr im Verzug sein können. Aber es gab um’s Verrecken keinen einzigen Hinweis, wer oder was da klopfte. Es klopfte einfach. Seitdem glaube ich an den Klabautermann.«
»Es gibt unter Seemännern die alte Regel«, so ein anderer Kapitän, »›Wenn er klopft, bleibt er. Wenn er hobelt, geht er.‹ Und da der Klabautermann nur dann das Schiff verlässt, wenn es untergeht, ist es gut, wenn er bleibt. Und hin und wieder klopft.«
Was soll man dazu als gemeine Landratte sagen? Der Psychologe würde vielleicht sagen: »Als Seemann ist man den wechselhaften Auswirkungen der Natur sehr viel stärker ausgeliefert als jeder andere Mensch – undzwar relativ hilflos. Dieses hilflose Ausgeliefertsein wird gesteigert, indem es in einer für Menschen ausgesprochen unfreundlichen Umgebung stattfindet – nämlich auf See. Denn trotz bester Ausrüstung und Ausbildung fühlt man sich gegenüber
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