Schlaf in himmlischer Ruh
irgendwann haben?«
»Weil er ein gottverdammter Schnüffler
ist, deswegen! Kommt rein, wo ich gerade fertig bin, zumachen und essen gehen
will, folgt mir in mein Büro und meckert über —«
Grimble stockte. »Folgt mir in mein
Büro, klar. Und ich war so verdammt sauer, daß ich ihm den Rücken zudrehte und
mir reichlich Zeit gelassen habe, den Schlüssel rauszusuchen.«
»Ein Schlüssel von dem Brett gegenüber
den Wohnungsschlüsseln?«
»Da können Sie Gift drauf nehmen. Ich
beschuldige niemanden, verstehen Sie. Ich berichte Ihnen bloß, was passiert
ist.«
»Dann tun Sie mir einen Gefallen, und
sagen Sie es niemand sonst. Ich nehme die Sache jetzt in die Hand.«
Shandy verließ das Wachdienstbüro. Er wollte
Ben Cadwall nicht direkt beschuldigen. Er mußte sich erst seine weiteren
Schritte überlegen. Trotzdem ertappte er sich dabei, daß er die breiten
Granitstufen zu dem gelben Backsteingebäude hinaufstieg, das die Verwaltung
beherbergte, seit das Balaclava-College noch kaum mehr war als ein paar
Schindelschuppen und eine kleine Herde von Guernseys.
Es war kaum jemand im Gebäude heute,
kein Telefon und keine Schreibmaschine waren zu hören. Die paar Sekretärinnen,
die sich nicht krank gemeldet hatten, machten wohl späte Frühstücks- oder frühe
Mittagspause oder beides zusammen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, daß,
obwohl die Mühlen der Verwaltung sich auch während der Lichterwoche drehen
mußten, niemand mehr Druck machen sollte als nötig. Die meisten der Bosse,
einschließlich Präsident Svenson, waren zum Skifahren oder vertrödelten
sonstwie die Feiertage. Cadwall allerdings würde wahrscheinlich die Stellung
halten. Shandy stieß die Eichentür auf, auf deren Milchglasscheibe in Schwarz
»Finanzchef« eingraviert war, und trat ein.
Cadwall saß in der Tat an seinem
Schreibtisch. Sein Mund stand offen. Seine Augen starrten ihn mit
weitgeöffneten Pupillen an. Niemand konnte so blicken und am Leben sein.
Vierzehntes
Kapitel
S ehr vorsichtig und bedächtig zog sich
Shandy aus dem Büro des Finanzchefs zurück und schloß die Tür hinter sich. In
der Nische draußen, wo Cadwalls Sekretärin hätte sitzen sollen, stand ein
Telefon, aber er benutzte es nicht. Stattdessen ging er den Korridor zum
Studentensekretariat entlang, wo Miss Tibbett ebenfalls nicht auf ihrem Posten
war. Er setzte sich an ihren Schreibtisch, weil ihm plötzlich bewußt wurde, daß
seine Knie zitterten, und griff nach dem örtlichen Telefonbuch.
»Polizeiwache, Wachtmeister Dorkin
hier.«
Shandy erkannte die Stimme. Vor ein
paar Jahren noch war Budge Dorkin die treibende Kraft hinter einem Rasenmäher
gewesen.
»Hallo, Budge«, sagte er. »Hier ist
Peter Shandy. Ist Polizeichef Ottermole da?«
»Oh hallo, Professor. Nein, keiner hier
außer mir. Ein Kerl in einem blauen 66er Stingray hat den Schnapsladen
überfallen, die rote Ampel auf der Hauptstraße überfahren und Mrs. Guptills
Dodge zertrümmert, Fahrerflucht begangen und ist dann von der Cat-Creek-Brücke
geschleudert. Der Chef ist unten am Schauplatz und wartet, bis die Feuerwehr
den Burschen herausfischt, damit er ihn einbuchten kann.«
»Aha. Sie müssen Ihren Chef irgendwie
erwischen und ihm sagen, daß er schnell zum College hochkommen muß. Ich habe
gerade Dr. Cadwall tot in seinem Büro gefunden.«
»Woran gestorben?«
»Ich weiß es nicht. Deswegen will ich
Ottermole. Machen Sie ihm Dampf, Budge, ja?«
»Ich werde mein bestes tun, Professor.
Ich würde selber kommen, aber wir können das Büro nicht unbesetzt lassen. Sagen
Sie, kommt es Ihnen nicht komisch vor, daß Dr. Cadwall direkt nach Mrs. Ames
stirbt, wo sie doch Nachbarn sind und so?«
»Komisch ist kaum das richtige Wort«,
meinte Shandy.
»He, wissen Sie was? Wenn der Chef
nicht bald erscheint, soll ich dann nicht die Staatspolizei einschalten? Wenn
was passiert, womit wir nicht fertig werden, übernehmen die sowieso.«
»Das wäre ausgezeichnet. Gut gedacht,
Budge.«
Er legte auf und schaute erneut ins
Telefonbuch. Der Präsident würde es erfahren müssen — nicht daß Shandy die
Aussicht genoß, es ihm mitzuteilen. Nachdem langes Klingeln erfolglos geblieben
war, kam er zu dem Schluß, daß die Svensons tatsächlich auf einem ihrer
Familienausflüge zum Skilanglauf sein mußten, ohne Zweifel mit Rucksäcken
voller Sm0rrebr0d und Reservesocken auf dem Buckel. Sie würden bis zum
Sonnenuntergang in den frostigen Wüsteneien verschollen
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