Schlaf in himmlischer Ruh
Leiche anzuschauen, um sich zu vergewissern, daß
wirklich eine da war.
»Ich glaube, wir machen besser nicht
noch mehr Fingerabdrücke auf diesen Türgriff. Hat jemand ein sauberes
Taschentuch?«
»Auf Charlenes Schreibtisch steht eine
Packung Kleenex«, schlug jemand vor.
Grimble nahm ein paar Tücher und machte
eine große Show daraus, sie um den Griff zu wickeln. »Lassen Sie keinen hier
herein. So haben Sie ihn verlassen, Professor?«
»Genau.«
Der Mann machte sich natürlich zum
Narren, aber ihn vor dem Büropersonal so zu nennen, wäre ein Akt unnötiger
Grausamkeit gewesen. Zwei Leichen in drei Tagen, wie Shandy vor ein paar
Minuten erst zu sich selbst gesagt hatte, waren für jeden ein bißchen viel.
Vielleicht war es für den Wachdienstchef noch härter, da er zumindest so tun
mußte, als würde er damit fertig, während Shandy nur neben dem Spielfeld
herumzuzappeln brauchte.
Bis auf den Umstand natürlich, daß
Präsident Svenson die Verantwortung auf seine Schultern geladen hatte. Daß
Cadwalls plötzlicher Tod nichts mit dem von Jemima Ames zu tun haben sollte,
war einfach nicht möglich.
Nun, da er vom Schock gnädig betäubt
war, stellte der Professor fest, daß er die Leiche recht objektiv betrachten
konnte. Es fand sich keine Spur einer Wunde oder Waffe. Die Hautfarbe war schlecht,
aber Ben hatte immer einen ungesunden Teint gehabt. Auf dem Schreibtisch lag
ein großer Füller, und ein Haufen Schecks lag verstreut herum, als ob er gerade
dabei gewesen wäre, sie zu unterschreiben, als der tödliche Krampf einsetzte.
»Einfach — dagesessen und gearbeitet.«
Miss Tibbett, deren Gedanken parallel zu denen Shandys gelaufen sein mußten,
reckte ihren Hals durch die Tür. »Ich wette, er hat nicht mehr erfahren, was
ihn erwischt hat. Ob es wohl sein Herz war?«
»Es war eine Embolie«, verkündete
jemand anders. »Meine Tante hatte eine. Beim Kartoffelschälen umgekippt.«
»Ih, hört auf! Ihr macht mir Angst«,
rief die jüngste der Gruppe. »Was meinen Sie, Professor Shandy?«
»Ich meine, wir sollten die müßigen
Spekulationen lassen und auf den Arzt warten«, sagte er. »Inzwischen wäre es
vielleicht angeraten, wenn Sie Ihre, eh, übliche Tätigkeit wieder aufnehmen.
Meinen Sie nicht auch, Grimble?«
»Ja, stimmt. Geht wieder an die Arbeit.
Keiner verläßt das Gebäude, bis wir wissen, was der Arzt sagt.«
»Aber was ist mit dem Mittagessen?«
protestierte der Junge aus dem Postraum. »Es ist fast Mittag.«
»Wie ich dich kenne, Bürschchen, bist
du am Essen, seit du hergekommen bist. Keine Sorge, du wirst schon nicht
verhungern. Wann wollte der Arzt nochmal kommen, Professor?«
»Seine Frau sagte, sie würde ihm
Bescheid geben, sobald er hereinkommt, was auch immer das heißt. Er soll auf
dem Heimweg vom Krankenhaus sein.«
»Was höchstwahrscheinlich bedeutet, daß
er zu Mittag ißt und ein Nickerchen hält«, maulte Grimble. »Vor ‘ner Stunde
werden wir ihn hier nicht sehen. Ist wohl nicht noch irgendwo ‘ne Tasse Kaffee
übrig?«
»Ich bringe Ihnen eine«, sagte Miss
Tibbett. »Milch und drei Würfel Zucker, nicht wahr?«
Sie machte sich auf den Weg zurück zum
Postraum. Die anderen, teils erleichtert, teils enttäuscht, stolperten ihr
nach.
»Jedenfalls sollte die Polizei bald
hier sein«, meinte Shandy hoffnungsvoll.
»Die haben Sie auch angerufen?«
»Natürlich.«
»Wozu zum Teufel? Schauen Sie,
Professor, ich platze nicht in Ihr Labor und sage Ihnen, wie Sie Rüben züchten
sollen, oder? Man hat mir bereits die Hölle heiß gemacht, weil ich Ottermole
auf den Crescent geholt habe, als wir Mrs. Ames gefunden haben. Dr. Svenson
sagt, er will nicht, daß bei irgendwas unterhalb von Mord die Polizei eingeschaltet
wird.«
»Was läßt Sie glauben, daß dies hier
keiner ist?«
»Oh Jesus! Warum sollte jemand den
Finanzchef töten wollen? Er ist der Kerl, der die Schecks unterschreibt.«
»Sehr komisch. Warum haben Sie dann
dieses Theater mit dem >Nichts anfassen< gemacht?«
»Ach, zur Hölle, das gehört einfach zu
der Nummer. Muß doch zeigen, daß ich auf Draht bin, oder?«
Sie saßen einen Moment schweigend da
und funkelten einander an. Dann bemerkte Shandy: »Es ist interessant, daß Sie
Mrs. Ames erwähnt haben.«
»Versuchen Sie anzudeuten, daß hier ein
Zusammenhang besteht?«
»Wir müssen die Tatsachen betrachten.«
»Was für Tatsachen? Mrs. Ames fällt vom
Hocker und bricht sich den Schädel. Dr. Cadwall kriegt einen Anfall oder so
was.«
Miss
Weitere Kostenlose Bücher