Schlaf in himmlischer Ruh
nicht.
Ich dachte an Ben oder Hannah, aber es hätte jeder sein können. Ben hat das
Ding vielleicht herausfallen sehen, als er jemandem den Mantel abnahm, und sich
nicht darum gekümmert, weil gleichzeitig die anderen hereindrängten. Als ich
dann später unten meine kleine Geschichte erzählte, wie ich nach meiner
Rückkehr auf den Murmeln ausgerutscht bin —«
»Das haben Sie wirklich erzählt?«
»Das habe ich. Wissen Sie, sie wollten
alle Details hören, wie ich Jemimas Leiche gefunden habe. Irgend jemand fragte
mich, warum ich hinter das Sofa geschaut habe, also erklärte ich, wie ich die
Murmeln über den Boden verstreut fand und mir klar wurde, daß jemand im Haus
gewesen sein mußte.«
»Da haben Sie es! Die Murmel fällt
heraus. Vielleicht sieht Dr. Cadwall tatsächlich, was es ist. Jedenfalls sagt
er: >Oh, Sie haben etwas fallen lassem, und der andere sagt: >Nein, habe
ich nicht<, weil er nicht weiß, daß er die Murmel bei sich hat.«
»Oder sie.«
»Natürlich. Dann, nachdem Sie Ihre
Geschichte erzählt haben, wird ihm — ich wünschte, jemand würde sich ein
kollektives Personalpronomen ausdenken — klar, daß es die Murmel gewesen sein
muß, die hingefallen ist, und er schleicht sich zurück, um danach zu stöbern.«
»Aber sie ist weg, weil ich sie
genommen habe. Tim und ich haben uns vor allen anderen verdrückt, weil ihm
plötzlich einfiel, daß wir Sie am Flugzeug treffen sollten.«
»Also denkt der Mörder, Dr. Cadwall
habe die Murmel und könnte sich erinnern, daß er gesagt hatte, er habe nichts
fallen lassen, obwohl er es offensichtlich hatte. Aber warum hat er nicht auch
Mrs. Cadwall getötet? Müßte er nicht Angst haben, daß Dr. Cadwall es seiner
Frau erzählt hat?«
»Vielleicht hat er es versucht. Das
Taxin war vielleicht für beide bestimmt, und irgendwie hat sie keins
abbekommen. Oder vielleicht kannte er Bens Vorliebe, Geheimnisse zu bewahren,
und setzte darauf, daß sie es nicht weiß.«
»Oder sie war diejenige, die die Murmel
hat fallen lassen.«
»Sie war meine erste Verdächtige«, gab
Shandy zu. »Ich nahm an, daß sie die beste Gelegenheit hatte, Jemima zu töten,
weil sie nicht auf der Party war und logischerweise Jemima hätte begleiten
können, als sie in mein Haus einbräch. Ich hatte eine Ahnung, daß Hannah
vielleicht die Einnahmen der Lichterwoche unterschlug und befürchtete, daß
Jemima sie bloßstellen würde. Jemima hätte ihr das angetan, wissen Sie, selbst
ihrer besten Freundin. Sie war eine große Prinzipienreiterin.«
»Sie muß wirklich eine ziemlich
abscheuliche Frau gewesen sein. Kein Wunder, daß Jemmy nach Kalifornien und ihr
Bruder zum Südpol gegangen ist. Ich bin überrascht, daß Dr. Ames sie nicht
selbst getötet hat.«
»Er hätte es vielleicht getan, wage ich
zu behaupten, nur ist Tim so taub wie ein Schellfisch und ganz schön tief in
seine Arbeit versunken. Und ich bin ziemlich überzeugt, daß auch Hannah Ben
nicht getötet hat. Sein Tod kam völlig überraschend für sie, das schwöre ich.
Ich hatte die angenehme Pflicht, in beiden Fällen die Nachricht zu überbringen,
wissen Sie. Allerdings verstehe ich, wie Sie gesagt haben, nichts von Frauen.«
»Armer Peter.«
Helen berührte sanft seine Hand.
»Meinen Sie, wir sollten uns auf den Rückweg machen? Sie haben einen harten Tag
gehabt.«
»Zumindest hat er vergnüglich begonnen
und geendet.«
»Dreimal auf Holz klopfen. Er ist noch
nicht vorbei.« Helen zog sich Jemimas altes schwarzes Cape um die Schultern und
zwängte sich aus der Nische. »Das war ein herrliches Dinner.«
»Es freut mich, daß es Ihnen gefallen
hat. Wir müssen nochmal herkommen.«
»Herzlich gern.«
Danach sprachen sie nicht mehr viel.
Helen spürte wohl die Auswirkungen des Klimawechsels und ihres ersten Tages in
einem neuen Job. Shandy mußte sich aufs Fahren konzentrieren. Schon den ganzen
Tag hatte es nach Schnee ausgesehen; jetzt fiel er und breitete einen
schlüpfrigen Film über die Straße. Sie waren beinahe zurück in Balaclava
Junction, als er das Schweigen brach.
»Ich glaube, wir fahren besser
hintenrum. Das Marshmallow-Grillen muß mittlerweile vorbei sein, und die
Hauptstraße ist sicher eine totale Katastrophe. Zumindest wird Ihnen das einen
Panoramablick über die Stinkfabrik verschaffen.«
»Ich bin ganz wild darauf. Jedenfalls
bis auf meinen linken Fuß. Der ist eingeschlafen.«
Helen schlüpfte aus dem Schuh und rieb
sich ihre Zehen, während sie durch den immer dichteren Schnee
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