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Schlaf, Kindlein, schlaf

Titel: Schlaf, Kindlein, schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika von Holdt
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hätte sie Fieber oder als wäre sie unbekleidet im Januar bei Schneesturm draußen unterwegs. Ihre Haut war eiskalt – als wäre die dünne Schweißschicht darauf zu Eis gefroren.
    Vielleicht waren es der Überlebensinstinkt oder die kalte Luft im Raum, die sie die Augen wieder öffnen ließen. Sie drehte das Foto langsam um und legte es auf die Erde. Sie starrte auf die weiße Rückseite. Die andere Seite erschien ihr plötzlich unwirklich, surreal, wie ein schrecklicher Fieberwahn.
    Erneut ergriff Panik von ihr Besitz. Sie merkte, wie Übelkeit in ihr aufstieg – und der schwere unangenehme Geruch in der Nase brannte. Wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt, kommst du selbst nicht mehr lebend aus diesem Haus raus. Und was war mit C.J.? Vielleicht war es naiv, aber sie hatte immer noch Hoffnung, dass C.J. am Leben war.
    Máire fischte das Mobiltelefon aus ihrer Tasche und ließ die Klappe aufschnappen.
    Kein Netz.
    Hektisch drückte sie die kleinen leuchtenden Tasten, wiederholte die Prozedur, jedoch ohne Erfolg. Verfluchtes Telefon!
    Sie schlotterte am ganzen Körper, stand aber auf, und es gelang ihr, sich in Bewegung zu setzen und den Kellerraum zu verlassen, ohne sich umzusehen.
    Im Gang versuchte sie es erneut, und endlich gab es eine Netzverbindung. Sie lehnte sich gegen die Wand, denn sie konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, und suchte in der Tasche nach Bondurants Karte. Irgendwie gelang es ihr, sie zu finden und die richtigen Tasten zu drücken.
    Fast unmittelbar meldete sich eine Männerstimme, distanziert und geschäftsmäßig: »Hallo, Cooper hier!«
    »Ich bin …«, sagte sie und räusperte sich. Sie setzte wieder an, brachte jedoch kein Wort heraus.
    »Hallo?«, sagte er.
    »Ich … äh …« Ihre Stimme klang unheimlich. Irgendwie Angst einflößend und fremd.
    »Ja?«
    »Bondurant! … Ich möchte mit Bondurant sprechen!«, brachte sie endlich heraus. Sie spürte, wie ihr Kopf ohne sie wegzuschweben schien. »Es ist dringend …«
    »Tut mir leid. Er ist erst in einer Viertelstunde wieder da. Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte er sich bereitwillig.
    »Seine Nummer? Können Sie mir seine Nummer geben?«
    »Das hier ist seine Nummer. Er ist gleich wieder da«, wiederholte er geduldig. »Worum geht es denn? Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
    »Er hat meine Freundin geholt«, begann Máire. »Ich glaube, sie ist tot! Ermordet! … Ich habe eben ein Foto von ihr gesehen, auf dem …«
    »Wer? … Bondurant?«
    »Nein, er! Marlon LeBelle … Er, er ist verrückt … Ich habe sein kleines widerwärtiges Labor gefunden …«
    »Der Bestatter? Ich kenne ihn gut. Was hat er getan, sagen Sie? Wer sind Sie denn?« Er klang ein bisschen amüsiert. Oder versuchte er nur herauszufinden, ob das, was sie sagte, auch Hand und Fuß hatte?
    »Máire Ann Mercer«, fuhr Máire rasch fort und versuchte, ruhig zu bleiben, aber die Worte stürzten wie gequälte Aufschreie aus ihrem geöffneten Mund. »Ich … ich war im Büro bei Ihnen …«
    »Ah ja, daran erinnere ich mich gut. Sie waren das mit dem Knie … und irgendwas mit einem verschwundenen Mädchen.«
    »Genau, C.J. Sie ist verschwunden und bestimmt tot, aber Bondurant wollte mir nicht zuhören. Er hat meine Freundin, er hat Valerie umgebracht. Verstehen Sie? Sie ist tot!«, wiederholte Máire verzweifelt wimmernd. »Ich bin sicher, dass sie tot ist! Sie hatte irgendwas um den Hals gehängt auf dem Bild und … und das … das ist so furchtbar! Sie ist tot!« Máire begann zu schluchzen.
    »Nun mal ganz ruhig. Fangen Sie noch mal ganz von vorne an und erzählen der Reihe nach … was für ein Foto?« Er klang nicht länger, als würde er sich über sie lustig machen.
    Sie erzählte ihm alles – nervös und mehr oder weniger zusammenhängend – und wurde sich währenddessen darüber klar, dass ihr Bericht nicht sonderlich überzeugend klang.
    »Wo sind Sie jetzt?«, wollte er wissen, als sie verstummte, um Luft zu holen. Entgegen ihren Erwartungen wirkte er überhaupt nicht aufmerksam.
    »Im Haus, im Keller. Ich sterbe vor Angst. Das war nur ein Hirngespinst, eine Idee auf gut Glück, verstehen Sie … ich habe nicht gedacht … ich hätte nie damit gerechnet …«
    »Also gut, das muss ich nachschauen, ich habe keine Ahnung, wo das ist. Das kann eine Viertelstunde dauern oder auch eine halbe. Sehen Sie zu, dass Sie da rauskommen, aber bleiben Sie irgendwo in der Nähe, wo Sie sich versteckt halten können. Ich komme dann mit

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