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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir sprach. »Wahrscheinlich habe ich ihn deswegen geheiratet. Und es würde auf jeden Fall erklären, warum ich immer wieder zu ihm zurückgekehrt bin. Er hat magische Hände. Wenn er erst einmal angefangen hatte, mir die Füße zu massieren, war ich geliefert.«
    Ich begriff, was sie meinte. Alison hatte von ihrem Exmann offensichtlich eine Menge gelernt. Ihre Hände wirkten wahre Wunder. Nach nicht einmal zwei Minuten war ich ebenfalls geliefert.
    »Ich vermisse ihn immer noch«, fuhr Alison fort. »Ich weiß, dass das verkehrt ist, aber ich kann nicht anders. Du
solltest ihn mal sehen. Die Mädchen gucken ihn nur an und fallen in Ohnmacht. Was natürlich Teil des Problems ist. Zumal er absolut keine Willenskraft hat. Ich natürlich auch nicht. Er hat mich betrogen, und ich schwor mir, dass ich ihm niemals verzeihen würde, nie wieder würde ich auf seinen Dackelblick reinfallen, und dann stand er eines Abends vor meiner Tür und sah so verdammt gut aus, und ich hab ihn natürlich reingelassen. ›Nur zum Reden‹, sagte ich, und er willigte ein, und wir saßen auf dem Sofa, und er fing an, meine Füße abzureiben, und das war’s. Zurück auf Los.«
    Ich dachte, dass ich wahrscheinlich etwas sagen sollte, ihr versichern, dass sie nicht die einzige Frau auf der Welt war, die auf den falschen Kerl hereingefallen war oder ihm zu oft verziehen hatte. Aber selbst wenn mein Gesicht frei von kosmetischen Zwängen gewesen wäre, hätte ich nicht die Kraft aufgebracht, auch nur ein Wort zu sagen. Ihre Kleinmädchen-Stimme klang wie ein Schlaflied, das mich in den Schlummer säuselte. Ich atmete tief ein und aus, das Zimmer wurde immer dunkler, und ich döste friedlich ein.
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, waren Schritte über mir. Ich schlug die Augen auf und starrte auf zwei weiße Gurkenscheiben. Nachdem ich sie entfernt hatte, gewöhnten meine Augen sich rasch an die Dunkelheit. Ich tastete mein Gesicht ab, das noch immer von einer ausgehärteten Peelingmaske bedeckt war. Wann hatte Alison das Licht ausgemacht? Wie lange hatte ich geschlafen?
    Wieder hörte ich Geräusche im ersten Stock, Schubladen wurden geöffnet und zugeschoben. Ist sie in meinem Schlafzimmer, fragte ich mich, rappelte mich auf die Füße und schaltete die Stehlampe neben dem Sofa an. Was machte sie dort oben? Ich sah meine knallroten Zehennägel, getrennt von weißen Wattepads, die zwischen meinen Zehen klemmten. Very cherry , erinnerte ich mich, als ich auf den Fußballen zur Treppe ging.

    Sie war im Gästezimmer und stand vor dem Bücherregal, das den größten Teil der Wand gegenüber dem mit burgunderroten Samt bezogenem, alten Schlafsofa einnimmt. Sie hatte mir den Rücken zugewandt und mich offensichtlich nicht kommen hören.
    »Was machst du da?«, fragte ich, und die Maske um meinen Mund splitterte wie Glas.
    Alison fuhr herum und ließ das Buch in ihrer Hand fallen, das auf ihrem Zeh landete. Sie stöhnte leise vor Schmerz oder Überraschung. »O mein Gott, hast du mir einen Schrecken eingejagt.«
    »Was machst du hier?«, fragte ich noch einmal, und die Risse in meiner Maske wanderten bis zu den Augen.
    Ein kurzes Zögern huschte über ihr Gesicht wie das Flackern einer Kerze, die unvermittelt von einer Brise erfasst wird. »Also zuerst habe ich hier oben das gesucht«, sagte sie, als sie ihre Fassung wieder gefunden hatte, und zog eine Pinzette aus der Tasche. »Ich hab gemerkt, dass ich meine vergessen hatte. Du hast leise vor dich hin geschnarcht. Es war richtig süß, und ich wollte dich nicht wecken. Ich hab mir gedacht, dass du bestimmt irgendwo eine Pinzette hast, doch ich musste praktisch jede Badezimmerschublade aufziehen, bis ich sie gefunden habe. Warum bewahrst du sie nicht im Medizinschrank auf wie alle anderen auch?«
    »Ich dachte, da wäre sie auch gewesen«, erwiderte ich lahm.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie lag neben deinen Lockenwicklern unter dem Waschbecken.« Sie steckte die Pinzette wieder ein. »Und dann habe ich auf dem Weg nach unten die ganzen Bücher gesehen und gedacht, ich schlage noch schnell Wort Nummer vier im Lexikon nach.« Sie bückte sich, hob das große Buch mit dem glänzenden rot-gelben Einband auf und hielt es mir hin. »Ein Triglyph ist ein sich mit Metopen abwechselndes dreiteiliges Feld am Fries eines
dorischen Tempels«, verkündete sie triumphierend. »Frag mich bitte nicht, was das Fries eines dorischen Tempels ist.«
    In diesem Moment sah ich in der Fensterscheibe mein Spiegelbild

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