Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
die ganze Zeit«, meinte sie. »Ich glaub nicht mal, dass er uns was verschweigen will. Mir kommt es eher so vor, als könne er sich gar nicht mehr an gestern erinnern.«
»Wahrscheinlich ist er unter Drogen gesetzt worden«, meinte der Kollege. »Wir sollten ihn untersuchen lassen.«
»Und was ist mit Maike?«, fragte Böttger. »Glauben Sie, er hat das Mädchen getötet?«
»Keine Ahnung«, sagte die Schulte matt. »Es kommt mir vor, als ob man bei diesem Jungen gar nichts mit Sicherheit sagen könnte.«
»Aber er hat diese Liste erstellt. Für Sanna.«
»Auch davon weiß er nichts mehr. Der ist völlig gaga, ehrlich. Und es ist ja auch ganz egal, was er uns erzählt, vor Gericht ist das eh alles wertlos.«
»Wir brauchen ein neues psychologisches Gutachten«, meinte Böttger. »Diesmal eins, das Hand und Fuß hat.«
Harald tauchte im Flur auf. Er entdeckte das Grüppchen vor dem Vernehmungsraum und steuerte auf sie zu.
»Frau Marquart ist hier«, sagte er. »Sie wartet in der Kantine.«
Böttger ließ die beiden Kommissare stehen und trat auf Harald zu. Die Stunde der Wahrheit war gekommen.
»Ist alles vorbereitet für die Gegenüberstellung?«, fragte er. Harald nickte. »Gut. Holen wir die Männer aus ihren Zellen. Es geht los.«
»Ich schick gleich die Gewahrsamsbeamten.« Er zögerte. »Ach, und Jens … Ich hab die Unterlagen vom Einbruch im Stift jetzt hier. Da ist von einem weißen Lieferwagen die Rede. Das hat mir Frau Marquart gerade bestätigt. Sie hat den Wagen gesehen, konnte aber das Nummernschild nicht erkennen.«
»Ein weißer Lieferwagen?«, meinte Böttger. »So einen haben wir gestern gesehen, auf dem Hof der Blanks. Der kam uns da entgegen.«
»Genauso ist es«, sagte Harald. »Nur dass wir das Kennzeichen notiert haben.«
»Hast du es schon überprüfen lassen?«
»Gerade eben. Negativ. Das muss eine Fälschung sein.«
»Trotzdem. Schreib den zur Fahndung aus. Wenn der noch mit dem gleichen Nummernschild in der Gegend ist, dann kriegen wir ihn vielleicht.« Böttger fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. »Auf ihn kommt es an. Er hat die Fäden in der Hand.«
»Das denke ich auch«, meinte Harald.
»Sicher ist der Typ kein Einzeltäter. Wenn wir ihn kriegen, dann vielleicht auch die Leute, die hinter ihm stehen. Das könnten dicke Fische sein.«
Die Aufregung der vergangenen Nacht kehrte zurück.
»Wir müssen diesen Typen einfach zu fassen kriegen. Das ist jetzt das Wichtigste.«
Seine Anzüge waren eingepackt, der Koffer stand bereit, alles war vorbereitet. Er streifte die Plastikhandschuhe ab und steckte sie in die Tasche seines Jacketts. Wenn er fort war, würde in diesem Hotelzimmer nicht einmal ein Haar von ihm zu finden sein. Dafür hatte er gesorgt.
Sorgsam nahm er den Koffer und wandte sich zur Tür. Das Handy klingelte. Er ahnte schon, wer das war. Der Anruf war längst überfällig. Er stellte den Koffer wieder ab, nahm das Gerät und sah aufs Display. Er hatte recht behalten.
Der Anrufer schnaubte vor Wut. »Was ist denn bei Ihnen los, verdammt! Wollen Sie uns alle in Gefahr bringen?«
»Warten Sie doch erst einmal, was ich zu sagen habe. Ich weiß, es ist nicht alles nach Plan gelaufen. Aber jetzt können wir …«
» Nicht alles nach Plan gelaufen? Es geht drunter und drüber! Dörrhoff ist festgenommen worden! Er weiß alles über die Organisation! Und er ist festgenommen worden!«
»Dörrhoff ist tot. Seine Frau hat es mir bestätigt.«
»Trotzdem. Es hätte nie so weit kommen dürfen. Und es ist nicht nur Dörrhoff. Auch Jakob ist wieder in Freiheit.«
»Das war ein Unfall«, sagte er. »Jakob wurde durch …«
»Das war kein Unfall, verdammt noch mal! Sie persönlich sind dafür verantwortlich! Das wird ein Nachspiel haben, darauf können Sie sich verlassen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.«
Leere Drohungen. Sie waren auf ihn angewiesen, das wussten sie beide. Seine Auftraggeber würden eine Weile schmollen, und danach wäre alles beim Alten.
»Und was soll diese Sache mit Sanna Marquart?«, polterte er weiter. »Sie sollte unbehelligt bleiben. Und jetzt erfahre ich, dass sie beinahe getötet worden wäre. Sind Sie wahnsinnig geworden?«
»Das war leider nicht zu ändern. Die Frau ist zu neugierig geworden. Sie hatte die Namen aller Freier. Sie wusste, dass Dörrhoff dazugehörte. Was sollte ich denn sonst machen?«
»Es war Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht so weit kommt! Wir haben Ihnen vertraut!
Weitere Kostenlose Bücher