Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
sah er in den Spiegel. Er sah grauenhaft aus. Trotzdem. Er hatte immer noch genug Adrenalin im Körper, um weiterzumachen. Gegenüberstellungen, Vernehmungen, Hausdurchsuchungen. Sie hatten heute eine Menge zu tun.
Zehn Minuten später saß er im Auto. Kaum hatte er den Motor gestartet, machte sich sein Handy bemerkbar. Er steckte es in die Freisprechanlage und nahm das Gespräch entgegen.
»Jens, hier ist Harald«, kam es aus dem Lautsprecher. »Bist du schon auf dem Weg hierher?«
»Ja, ich sitze im Auto.« Der Tonfall seines Kollegen gefiel ihm nicht. »Ist was passiert?«
»Ich fürchte, ja.« Er zögerte. »Dörrhoff ist in seiner Zelle tot aufgefunden worden.«
»Sag das noch mal.«
»Es ist wahr. Offenbar eine Kapsel mit Zyankali oder so etwas Ähnliches. Er war sofort tot. Die muss gestern Nacht bei den Kontrollen übersehen worden sein. Sieht alles nach Selbstmord aus.«
Ausgerechnet Dörrhoff. Er umklammerte das Lenkrad.
»Was ist mit den anderen?«, fragte er.
»Die schweigen. Die Herren Anwälte sind inzwischen eingetroffen. Versuchen zu retten, was zu retten ist. Aber für Dörrhoff ist es zu spät. Tut mir leid, Jens …«
»Wir machen trotzdem weiter. Die Sache ist noch nicht vorbei. Was ist mit dem Typen, der das alles organisiert hat? Sanna hat uns doch eine Personenbeschreibung gegeben. Der Mann mit dem Basecap.«
»Wie’s aussieht, war der nicht auf der Liste. Aber wir sind dran. Die Spurensicherung sitzt immer noch in der Scheune. Da geht nichts verloren.«
»Scheinbar ist dieser Typ auch derjenige gewesen, der im Stift Marienbüren eingebrochen ist. Das haben ja die Kollegen vor Ort gemacht. Haben wir die Unterlagen darüber?«
»Ich habe mir alles kommen lassen. In ein paar Stunden wissen wir mehr. Aber Jens … was ist jetzt mit Maike? Wissen wir da mehr?«
In ihrem eigentlichen Mordfall waren sie kaum weitergekommen. Aber das musste zu diesem Zeitpunkt noch nichts heißen.
»Bisher noch nicht«, sagte Böttger. »Warten wir ab.«
Sie verabschiedeten sich und beendeten das Gespräch. Als er zwanzig Minuten später das Präsidium betrat, ging er zuerst zu Haralds Büro, doch es war verwaist. Harald musste im Haus unterwegs sein.
Auf dem Flur begegnete er einer Kollegin, die gerade aus ihrem Büro trat. Sie war gestern Nacht nicht dabei gewesen und wirkte im Gegensatz zu ihm frisch und ausgeschlafen. Als sie ihn entdeckte, steuerte sie direkt auf ihn zu.
»Morgen, Herr Böttger. Gut, dass sie kommen. Die Männer, die Sie gestern Nacht festgesetzt haben, werden gerade vernommen. Vielleicht möchten Sie dabei sein.«
»Wer führt denn die Vernehmungen? Frau Schulte?«
»Nein, nicht die Schulte. Die befragt gerade Jakob.«
»Jakob? Dann ist der inzwischen auch hier?«
Vielleicht kam ja nun doch etwas Licht in den Mordfall Maike. Die Heitbrink hatte Jakob schließlich schwer belastet. Da waren noch einige Fragen offen.
»Ja, ist er«, meinte die Kollegin. »Die sind im Vernehmungsraum hier auf dem Flur.«
Er bedankte sich und steuerte auf den Raum zu. Unterwegs besorgte er sich im Gruppenraum einen Kaffee. In einer Schachtel auf dem Tisch fand sich sogar noch ein Donut vom Vortag. Er schnappte sich ihn, ging weiter und öffnete zaghaft die Tür zum Vernehmungsraum.
Zuerst sah er nur die Schreibkraft, eine junge Verwaltungsangestellte mit einem rosigen Schweinsgesicht, die hinter ihrem Computer hockte und eifrig die Tastatur bearbeitete. Seitlich davon befand sich der Vernehmungstisch. Jakob Blank und die beiden Kommissare, die ihn befragten, saßen sich gegenüber: die Schulte, die offenbar die Fragen stellte, und daneben einer der älteren Kollegen, ein ruhiger und nachdenklicher Mann mit Vollbart.
Alle blickten zu Böttger auf, als er eintrat. Mit dem Donut in der Hand winkte er ab.
»Lassen Sie sich nicht stören. Weitermachen.«
Böttger setzte sich auf einen Stuhl an der Wand. Jakob sah ihn mit großen Augen an, bevor er sich wieder den Kollegen zuwandte. Dann ging die Befragung weiter.
»Fahren Sie ruhig fort«, sagte die Schulte.
»Maike und ich hatten jeder ein eigenes Zimmer. Wir haben im Haus gewohnt.«
Es ging also nicht um die vergangene Nacht. Die Schulte befragte ihn zu Maike. Gut so. Er war gespannt, was Jakob zu sagen hatte.
»Zusammen mit Ihrem Großvater, ja? Wie sind Sie mit ihm ausgekommen? Gab es Probleme?«
»Nein. Ganz gut. Er hat viel gearbeitet. Auf dem Hof und im Garten. Da war immer eine Menge zu tun.«
»Was ist mit Beate Heitbrink? Ihrer
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