Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
du sagen. Du entscheidest selbst, was du aus deinem Leben machen willst. Dein Vater wird das schon begreifen.«
Sie verfielen wieder in Schweigen. Sanna leerte ihr Glas und richtete sich auf. Sie warf ihrer Tante einen Seitenblick zu.
»Sag mal, du und dieser Kriminalkommissar, ihr kennt euch doch irgendwoher, oder?«, fragte sie.
Ein Lächeln stahl sich aufs Gesicht ihrer Tante.
»Jens Böttger. Oh ja, wir kennen uns. Von früher. Er kommt ebenfalls aus der Gegend.«
Sanna runzelte die Stirn. Für dieses Lächeln gab es nur eine Erklärung. »Hattet ihr mal was miteinander?«
»Ach herrje, die Antwort ist wohl Ja. Aber das ist so lange her, das ist schon nicht mehr wahr. Kannst du dir mich mit Leggins und toupierten Haaren vorstellen? David Bowie war da noch jung und total angesagt.«
»David Bowie ist doch immer noch angesagt. Irgendwie wenigstens.« Sie zögerte. »Aber zwischen euch ist jetzt nichts mehr?«
»Nein, natürlich nicht. Jens ist verheiratet. Außerdem sind wir dreißig Jahre älter geworden. Das ist doch totaler Unsinn.« Sie hielt abrupt inne. »Ich hab heute mit ihm geknutscht.«
»Nein! Du hast was ?«
»In seinem Büro. Wir sind erwischt worden.«
Sanna suchte nach Worten, doch ihre Tante fing plötzlich an zu kichern. Es war so ansteckend, Sanna konnte sich gar nicht wehren. Es dauerte nicht lange, da lagen sich die beiden wie zwei Teenager kichernd und glucksend in den Armen.
Danach fühlte Sanna sich besser. Es tat gut, albern zu sein. Ihre Tante stand schließlich auf und sammelte die Weingläser ein.
»Am besten vergessen wir das. Ein verheirateter Mann. Was habe ich mir dabei nur gedacht.« Sie steuerte die Küche an. »So, und jetzt lass uns ins Bett. Morgen wird ein langer Tag für dich. Ich kann dich ins Präsidium fahren, bevor ich zur Arbeit gehe.«
Kurz darauf lag Sanna auf der Schlafcouch im Gästezimmer und lauschte auf den Regen. Laternenlicht fiel von draußen herein. Vor dem Fenster stand ein Apfelbaum mit dürren Zweigen, deren Schatten an der Decke lautlos aufeinander einpeitschten. Sie fühlte sich völlig leer. Die Augen fielen ihr zu. Es roch nach Zwiebeln und nach altem Männerschweiß. Da war der Blick von Wolfgang Blank. Er klammerte sich ans Leben, das konnte sie erkennen. Aber da war eine Kraft, die stärker war. Sanna spürte, wie er seinen Körper verließ. Sie wollte etwas tun, das Ganze irgendwie ungeschehen machen. Doch da zwang sie die Erschöpfung bereits in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
21
Am nächsten Morgen fühlte sich Böttger viel besser als es mit nur drei Stunden Schlaf normal wäre. Es war viel passiert in der letzten Nacht. Diese Liste, die sie bei Wolfgang Blank gefunden hatten, hatte offenbar tatsächlich etwas mit den Geschehnissen in der Scheune zu tun. Zwei der Herren waren vorbestraft wegen des Besitzes von Kinderpornografie. Außerdem waren sie flüchtig. Drei andere waren noch in der Nacht gefasst worden. Einer davon mit einer schlimmen Bauchverletzung, was ebenfalls zu den Ereignissen in der Scheune passte. Und Böttger war sicher, dass Sanna die drei bei einer Gegenüberstellung als Täter identifizieren würde. Das wäre nur noch eine Formsache.
Auch Gunther Dörrhoff war gefasst worden. Eine kleine Sensation. Sie hatten ihn am Flughafen Paderborn abgefangen. Sobald der Durchsuchungsbefehl für seine Villa in Bielefeld da war, würden sie das Haus auf den Kopf stellen. Und Böttger spürte, da würde einiges zutage kommen.
Dörrhoff saß im Moment in Untersuchungshaft. Er hüllte sich in Schweigen, und seine Anwälte rannten ihnen bereits die Bude ein. Bis zur Gegenüberstellung konnte Böttger ihn aber problemlos in Gewahrsam halten, und wenn danach erst der Beschluss für die Hausdurchsuchung da war, dann würden sich die Anwälte mit ganz anderen Dingen beschäftigen müssen.
Sanna hatte ausgesagt, die Männer auf der Liste wären Jakobs Freier gewesen, schon seit Jahren. Auch Dörrhoff gehörte zu diesen Freiern. Ein riesiger Skandal kündigte sich da an: Kinderprostitution und Missbrauch von Schutzbefohlenen. Und der hoch angesehene Psychiater Prof. Dr. Dörrhoff spielte eine tragende Rolle dabei. Das würde einen mächtigen Knall geben. Brüse könnte sich schon mal für die Pressekonferenz rausputzen.
Offenbar hatte Dörrhoff Jakob in der Klinik mundtot machen wollen. Sein sonderbares Gutachten und die Medikation mit übermäßig starken Psychopharmaka erklärten sich dadurch.
Als Böttger aus der Dusche trat,
Weitere Kostenlose Bücher