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Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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hatte es auf dem Bild wiedererkannt. Tante Renate hatte sich das nicht eingebildet. Während draußen die ganze Welt fieberhaft über die Herkunft der Kleinen rätselte, wusste Jakob genau Bescheid, wer dieses Kind war.
    »Was soll denn als Nächstes passieren?«, fragte sie. »Du musst doch irgendwohin. Hast du schon einen Plan?«
    »Nein. Noch nicht. Erst mal schlafen. Und morgen werde ich weitersehen.«
    »Wo warst du in den letzten Tagen? Bei einem Freund?«
    Er schwieg. Sanna schätzte, dass er kein Dach über dem Kopf gehabt hatte. Er hatte wahrscheinlich irgendwo draußen geschlafen.
    »Ich fühle mich gut«, sagte er. »Ich bin frei. Das ist toll, ehrlich. So gut hab ich mich lange nicht mehr gefühlt. Ich gehe nicht zurück. Weder in die Klinik, noch nach Hause.«
    »Du wohnst auf dem Hof in der Nähe vom Stift Marienbüren, richtig? Dein Vater ist Volker Blank.«
    Er antwortete nicht, sondern starrte nur zu Boden.
    »Macht er sich denn keine Sorgen um dich?«
    »Mein Vater? Bestimmt nicht. Ich will auch auf keinen Fall dahin zurück. Ich …«
    Er stockte, senkte den Blick. Sanna betrachtete ihn. Er wirkte irgendwie durcheinander, als würde es ihm nicht gelingen, das in Worte zu fassen, was ihm durch den Kopf ging. Doch sie hatte bereits einen Verdacht. Die Verletzungen … das war nicht er selbst gewesen.
    »Hat dein Vater dir was angetan?«
    »Mein Vater? Nein. Ich glaube nicht.«
    »Du kannst es mir ruhig sagen.«
    »Nein, wirklich. Da war nichts.«
    Sagte er die Wahrheit? Wohl kaum.
    »Wieso willst du dann nicht zurück?«, fragte sie. »Was ist das Problem?«
    »Er schickt mich wieder in die Psychiatrie. Außerdem … Mir geht es jetzt gut. Auch ohne ein Zuhause. Mir ging es noch nie so gut wie in den letzten Tagen. Ich fühle mich endlich frei.«
    »Ich verstehe schon, was du meinst. Aber wie soll das weitergehen? Willst du einfach obdachlos werden? Du musst dir doch einen Plan ausdenken. Du brauchst ein Ziel.«
    »Am liebsten hätte ich eine ganz neue Identität. Ganz von vorne anfangen. Keiner würde mich kennen. Das wäre am besten.«
    »Das wird aber nicht passieren. Sei realistisch.«
    »Was ist denn realistisch? Ich gehe auf keinen Fall in die Klinik zurück.«
    »Da gibt es andere Möglichkeiten. Wir könnten ein zweites psychiatrisches Gutachten einholen. Das Jugendamt einschalten. Einen Anwalt fragen. Es gibt immer Wege.«
    Jakob schenkte ihr ein Lächeln voller Traurigkeit. »Ach, Sanna. Mir glaubt doch eh keiner.«
    »Das weißt du doch gar nicht. Willst du einfach wegrennen? Du musst dich doch wehren, Jakob. Für deine Rechte kämpfen.«
    »Ich … ich kann nicht.«
    Etwas war bei seinem Vater passiert. Es stimmte nicht, dass der ihm nichts angetan hatte. Die Wunden, die Jakobs Körper bei seinem ersten Auftauchen übersät hatten, waren nicht selbst zugefügt, wie Erika Eckart meinte. Jakob hatte Angst, das war deutlich zu erkennen. Aber er musste mit ihr reden. Sagen, was sein Vater getan hatte. Nur so konnte sie ihm helfen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
    »Was ist passiert, Jakob? Du kannst mir vertrauen.«
    »Ach, Sanna …«
    Sie quälte ihn. Das spürte sie. Doch sie ließ nicht locker.
    »Was ist mit diesem Kind? Das kleine Mädchen, das bei dem Erdrutsch aufgetaucht ist? Du weißt doch, wer es ist, oder? Du hast es auf dem Bild von Tante Renate erkannt.«
    Er war nun leichenblass. Schweiß trat auf seine Stirn. Er fixierte angestrengt einen Punkt auf dem Fußboden.
    »Woher kennst du dieses kleine Mädchen? Wer ist es?«
    »Sanna, bitte …« Das klang fast wie ein Aufheulen.
    »Was ist passiert? Wie ist es gestorben? Du musst es mir sagen. Jakob, okay?«
    Seine Augenlider zitterten, sein Blick begann zu flackern. Er gab ein seltsames Stöhnen von sich. Sanna hielt für einen Moment inne. Sie wusste nicht, was passierte. Doch sie durfte jetzt nicht lockerlassen, das spürte sie irgendwie. Sie hatte ihn gleich so weit. Er würde sein Geheimnis offenbaren.
    »Rede mit mir, Jakob«, beschwor sie ihn. »Sag mir, was passiert ist. Wovor hast du Angst?«
    Seine Stimme war verändert. Er sprach leise, es war beinahe ein Wispern. »Ich darf keine Hilfe annehmen. Ich darf keinem vertrauen. Keinem.«
    »Du kannst mir aber vertrauen. Versprochen!«
    Sein Blick richtete sich nach innen. Es schien, als wollte er sich zurückziehen, seinen Körper verlassen, von hier verschwinden.
    Sie erinnerte sich, was ihn daran gehindert hatte, von der Brücke zu springen. Obwohl es Wahnsinn war,

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