Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
Hotel.
Daniela Krüger saß hinter dem Tresen der Rezeption und blätterte in einer Illustrieren. Erstaunt sah sie Renate entgegen.
»Grüß dich, Renate. Hast du etwas vergessen?«
»Meine Brieftasche! Die muss ich heute Mittag auf dem Tisch liegen gelassen haben.«
»Da lag keine Brieftasche. Das würde ich wissen.«
Renate setzte ein verzweifeltes Gesicht auf. »Bist du dir sicher? Vielleicht ja auf der Bank? Das kann nur hier gewesen sein. Da ist alles drin. Meine Karten, mein Perso, einfach alles.«
»Warte hier. Ich frag kurz nach. Vielleicht hat sie ja doch einer gefunden und mir nichts gesagt.«
»Das ist lieb von dir. Ich bin völlig durch den Wind deswegen.«
»Einen Moment. Ich bin gleich wieder da.«
Daniela Krüger verschwand im Durchgang zum Restaurant. Renate wartete, bis sie fort war, dann umrundete sie eilig den Tresen. Sie blätterte im Gästebuch, und schließlich fand sie den Eintrag: Peter Ranke. Daneben eine Bielefelder Adresse, die vermutlich falsch war, aber trotzdem notierte sie sich Straße und Telefonnummer. Dann öffnete sie das Schränkchen an der Wand, nahm Peter Rankes Zimmerschlüssel heraus und ließ ihn in ihre Jackentasche gleiten. Sie würde sich dort oben einmal umsehen. Wäre doch gelacht, wenn sie nicht etwas über diesen Mann herausfinden könnte.
Das Geräusch von Pfennigabsätzen näherte sich auf dem Gang. Daniela Krüger war im Anmarsch, um ihr zu sagen, dass keine Brieftasche gefunden worden war. Renate huschte eilig auf die andere Seite des Tresens. Sie setzte ein niedergeschlagenes Gesicht auf und machte sich auf schlechte Nachrichten gefasst. Sie würde dieses Schauspiel schnell hinter sich bringen, um danach zum Hintereingang des Hotels zu gehen.
Böttger saß in seinem Büro am Schreibtisch. Er versuchte sich auf seine Unterlagen zu konzentrieren, aber das war sinnlos. Er fühlte sich schuldig. Was da mit Renate passiert war, das war zwar nicht geplant gewesen. Trotzdem musste er sich eingestehen: Es war, wonach er sich gesehnt hatte. Irgendwas war da zwischen ihnen, das ihn Bärbel vergessen ließ. Doch das schlug er sich besser aus dem Kopf. Er hatte Bärbel noch niemals betrogen, und dabei sollte es auch bleiben.
Es klopfte an seiner Tür, und Harald steckte den Kopf herein. Er trug eine Regenjacke und hatte seinen Aktenkoffer unterm Arm.
»Gibt es Neuigkeiten von Jakob?«, fragte Böttger.
»Nein. Er und Frau Marquart sind abgetaucht. Auch am Flughafen sind sie nie angekommen. Der Flug ist längst weg.« Er bedachte Böttger mit einem langen Blick. »Als hätten sie einen Tipp bekommen.«
»Wenn du da an Renate Thun denkst, das ist Schwachsinn. Ohne sie hätten wir gar nicht gewusst, dass Jakob einen Flug nach London gebucht hatte.« Er trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. »Wir müssen einfach warten. Irgendwo wird der Smart schon auftauchen. Und dann unterhalten wir uns mit den beiden.«
Harald blieb schweigend in der Tür stehen. Böttger fragte sich, ob er bereits den neuesten Tratsch gehört hatte, von dem Kollegen, der ihn und Renate überrascht hatte.
»Ist noch was?«, fragte er.
»Nein, nein. Ich mache jetzt Feierabend. Guck mal auf die Uhr. Vielleicht fährst du auch mal nach Hause. Wenn die beiden geschnappt werden, wirst du früh genug informiert.«
Harald verschwand im Flur. Nach Hause fahren. Das wäre wohl das Beste. Seine Frau bekam ihn ja kaum noch zu Gesicht.
Bärbel. Das schlechte Gewissen bedrückte ihn. Am besten vergaß er alles, was heute passiert war. Das war doch lächerlich. Er wünschte nur, seine Kollegen würden das auch vergessen können.
Er fuhr den Rechner herunter, packte die Unterlagen zusammen und nahm seine Jacke. Draußen auf dem Flur herrschte gähnende Leere. Die meisten Kollegen waren bereits fort. Böttger schlenderte den Korridor hinunter. Auf dem Weg zum Treppenhaus sah er eine Tür, die nur angelehnt war. Hinter dem Spalt brannte Licht. Es war der Gruppenraum. Böttger trat näher und stieß die Tür auf.
Vor der Pinnwand stand die Schulte. Sie war allein und offenbar völlig in der Betrachtung der Fotos, Karten und Notizen vertieft. Erst als Böttger sich räusperte, bemerkte sie ihn und drehte sich um.
»Frau Schulte! Ich hab Sie lange nicht gesehen.«
»Ich weiß, ich hab heute beide Besprechungen verpasst.«
»Nicht so schlimm. Viel Neues hat sich nicht ereignet. Volker Blank schweigt, seine Freundin beschuldigt Jakob und heult den ganzen Tag. Und Jakob, der ist
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