Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
abgetaucht.«
»Es läuft eine Fahndung, oder? Er wurde auf der A2 gesehen, an einer Raststätte.«
»Ja, aber das ist schon eine Weile her. Wir müssen warten. Und hoffen. Heute passiert hier jedenfalls nichts mehr. Warum gehen Sie nicht nach Hause?«
Sie betrachtete die Pinnwand. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Alle versteifen sich auf Jakob«, sagte sie.
»Er ist der Hauptverdächtige, nicht ohne Grund. Das heißt nicht, dass wir die anderen Fährten außer Acht lassen.«
»Ich glaube nicht, dass er’s gewesen ist.«
»Was macht Sie da so sicher? Beate Heitbrinks Aussage belastet ihn schwer. Und das psychiatrische Gutachten, das wir haben, bestätigt das nur. Außerdem …«
»Ich glaube nicht, dass dieses psychiatrische Gutachten vor Gericht Bestand hat.«
Böttger sah sie verständnislos an.
»Warum denn nicht?«, fragte er.
»Ich war gerade in der Klinik, in der Jakob behandelt wurde. Da habe ich mit einer Stationsärztin gesprochen. Sie hat mir zu verstehen gegeben, dass der Chefarzt das Gutachten geschrieben hat, ohne Jakob näher zu untersuchen.«
»Prof. Dr. Gunther Dörrhoff?«
»Natürlich hat sie das vorsichtiger formuliert. Aber verstanden habe ich, dass sich dieser Typ wie ein Gott aufführt und keinen Widerspruch duldet. Das Gutachten ist wohl ziemlich willkürlich. Die Ärztin meinte, dieser Dörrhoff hätte Jakob auch völlig falsch eingestellt. Sie hätte ihm nie diese Medikamente gegeben. Dem Chefarzt wäre es wohl nur darum gegangen, ihn ruhigzustellen. Sie meinte auch, sie glaubt nicht, dass Jakob für andere gefährlich ist. Sie hatte vielmehr das Gefühl, dass er einfach schwer traumatisiert ist.«
Böttger wusste nicht, was er davon halten sollte.
»Die Aussagen waren mehr oder weniger informell«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass sie unter Eid gegen ihren Chef aussagt. Aber wenn die Verteidigung bei einer Verhandlung ein neues Gutachten in Auftrag gibt, dann könnten wir ziemlich alt aussehen.«
Er war sich der Brisanz bewusst. Das warf ein ganz neues Licht auf die Sache. Eine kleine Bombe.
»Und es geht ja auch nicht nur um die Verhandlung«, meinte die Schulte. »Es heißt ja auch …«
»Ich weiß. Es heißt, dass wir wohl aufs falsche Pferd gesetzt haben. Gut möglich, dass Jakob völlig unschuldig ist.«
17
Die Dämmerung legte sich über das Land. Im Innern der Scheune war es stockdunkel geworden. Nur die Butzenfenster leuchteten noch blau im Abendlicht. Sanna spürte ihre Hände nicht mehr. Sie versuchte erst gar nicht, sich zu bewegen. Das würde nur neue Schmerzen verursachen. Also blieb sie starr gegen den Balken gelehnt und wartete. Jakob war irgendwo in der Dunkelheit. Er gab keinen Laut von sich. Sanna hatte versucht, mit ihm zu sprechen. Aber ohne Erfolg. Er war apathisch. Es war ihr einfach nicht gelungen, zu ihm durchzudringen, und schließlich hatte sie es aufgegeben.
Schritte näherten sich, dann wurde das Scheunentor aufgezogen. Die stämmige Silhouette von Wolfgang Blank erschien. Unterm Arm trug er einen Handstrahler. Er betrat den Raum und schaltete ihn ein. Grelles Licht traf sie. Sanna blinzelte. Wolfgang Blank schwenkte den Strahler herum, wobei der Lichtkegel über Jakob glitt, der etwas entfernt an einen Balken gefesselt war. Seine weit aufgerissenen Augen reflektierten das Licht, was ihn aussehen ließ wie ein aufgeschrecktes Nachttier. Dann tauchte sein Gesicht wieder in der Dunkelheit ab.
Wolfgang Blank trat auf Sanna zu und stellte den Strahler seitlich auf den Betonboden, damit sie nur in indirektes Licht getaucht war. Dann hockte er sich neben sie.
»Du musst hier raus«, sagte er schroff. Sein Atem roch nach Alkohol und Zwiebeln. »Du kannst dir jetzt überlegen, ob mit oder ohne Knebel. Mir ist das egal. Hältst du also dein Maul oder willst du herumschreien?«
Sanna blickte schweigend zu Boden. Sollte er mit ihr machen, was er wollte. Sie würde ihn um nichts bitten.
Er grunzte und spuckte zu Boden. »Ich schätze, das heißt, du wirst dich benehmen.«
Er machte sich daran, ihre Handfesseln zu lösen. In den vermeintlich tauben Gelenken explodierten plötzlich die Schmerzen. Sanna biss die Zähne zusammen, um ja nicht zu schreien. Sie wollte keinesfalls Schwäche zeigen.
Plötzlich war sie frei. Das Blut pochte in den wunden Stellen. Wolfgang Blank stand auf, packte sie und zog sie auf die Beine.
»Wag es ja nicht, dich zu wehren, Mädchen«, sagte er. »Dann mache ich dich platt, das schwör ich dir.«
Alles
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