Schlaf süß im tiefen Grabe: Kriminalroman (German Edition)
»Hierher nach Bielefeld?«
»Ja, genau. Aber dann hat sie mir eine SMS geschickt, dass sie den Zug verpasst hätte und Jakob nach Düsseldorf zum Flughafen fahren wollte. Aber irgendwas stimmt da nicht. Ich habe seitdem nichts mehr von ihr gehört. Das ist nicht typisch für sie.«
Die anderen Ermittler warfen sich vielsagende Blicke zu. Jens’ Stimme war seltsam verändert. Renate hatte ihn noch nie so angespannt gesehen.
»Ist Sanna mit dem Smart aus dem Stift Marienbüren unterwegs?«, fragte er.
»Ja, ich denke schon.«
Er wandte sich zu einem der Ermittler, einem übergewichtigen Mittdreißiger. »Wir brauchen das Kennzeichen. Ruf im Stift an und finde das heraus. Dann geben wir die Fahndung raus.« Er sah wieder zu Renate. »Nach Düsseldorf, sagst du? Ist das sicher?«
»Ja, ich denke schon. Von dort geht Jakobs Flug nach London«, sagte sie. »Den hat Sanna im Internet gebucht.«
Jens nickte knapp. Zu den anderen sagte er: »Gebt allen Bescheid. Wir haben eine Spur. Der Junge ist mit Sanna Marquart unterwegs. Vielleicht kriegen wir sie auf der Autobahn.«
»Nein, Jens!«, ging Renate dazwischen. »Das ist falsch! Ich glaube ja gar nicht, dass die beiden tatsächlich nach Düsseldorf unterwegs sind. Ich glaube, sie sind noch in Marienbüren.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Das waren bestimmt die Blanks! Die wollen Jakob in die Finger kriegen. Ihr müsst zum Hof der Blanks und dort nachsehen. Bestimmt findet ihr da Sanna und Jakob. Die stecken dahinter, das schwöre ich.«
»Die Blanks sitzen in Untersuchungshaft. Alle bis auf den Großvater. Wie kommst du auf die Idee? Haben Sanna und Jakob denn gesagt, dass sie noch mal zum Hof fahren wollten, bevor es nach Düsseldorf gehen sollte?«
»Nein, das nicht. Aber … Vielleicht sind sie da gegen ihren Willen hingebracht worden. Sie könnten entführt worden sein. Die Blanks sind Verbrecher, das ist doch offensichtlich. Auf die müsst ihr euch konzentrieren, nicht auf Jakob und Sanna.«
Jens betrachtete sie. Er schien mit sich zu ringen. Schließlich seufzte er.
»Macht schon mal weiter. Ich bin gleich wieder da«, sagte er zu den anderen und dann zu Renate: »Komm mit in mein Büro.«
Er ging voran. Renate stolperte hinterher. Sie folgte ihm quer durch den Korridor. Erst als sie in seinem Büro waren und er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte er matt: »Weißt du etwas? Gibt es noch was, das du mir verschweigst?«
Renate wünschte, es wäre so. Doch im Grunde war es nur ein Verdacht. Oder weniger als das. Ein Gefühl.
»Du musst zu dem Hof, Jens, bitte. Mit einem Einsatzkommando. Ihr müsst das Gelände stürmen. Sanna und Jakob sind da, das sagt mir mein Bauchgefühl.«
»Ich soll das Gelände stürmen, weil du ein ›Bauchgefühl‹ hast?«
»Das dürft ihr doch, oder? Wenn ›Gefahr im Verzug‹ ist.«
»Schon. Aber so einfach ist das nicht. Wir bräuchten schon etwas mehr als ein Gefühl. Im Moment sieht es aus, als ob Jakob die kleine Maike ermordet hat. Warum sollte er zum Hof zurückgehen? Das macht doch keinen Sinn. Das beste wäre es, den nächsten Flieger zu nehmen. Was er ja auch vorhat.«
Renate sah ihre Felle davonschwimmen. Sie glaubte nicht, dass Sanna diese Kurznachrichten geschrieben hatte. Sie glaubte nicht, dass es ihrer Nichte gut ging. Aber sie hatte keinerlei Beweise.
»Und wenn du mal hinfährst und einfach so nachsiehst?«
»Das habe ich gerade getan. Wir waren vor einer guten Stunde da. Jakob war nirgends, leider.«
»Ihr müsst dahin. Ich meine es ernst!« Vor ihren Augen tauchten schwarze Punkte auf. »Sprich mit dem Staatsanwalt. Erkläre ihm alles. Bitte, Jens. Lass mich nicht hängen. Du musst mir helfen. Ich mach mir Sorgen um Sanna.«
»Ich mach mir doch auch Sorgen. Deshalb schreiben wir den Smart zur Fahndung aus. Mit etwas Glück haben wir sie in ein paar Stunden.«
Renate begriff plötzlich, dass sie hier nichts erreichen würde. Jens würde ihr nicht helfen. Sie verlor die Fassung.
»Du kannst mich nicht einfach so wegschicken! Du musst eingreifen! Ich gehe nicht eher weg, bis du Sanna rettest. Das musst du für mich tun.« Sie wusste, dass sie überreagierte, doch sie konnte nicht anders. »Ich bleibe so lange hier, bis du einen Durchsuchungsbefehl hast. Ich geh hier nicht weg!«
Jens packte sie an den Schultern. Sein Griff war fest, er blickte ihr eindringlich ins Gesicht.
»Renate! Beruhige dich! Hör mal zu …«
Er stockte. Die plötzliche Nähe zwischen ihnen brachte ihn aus dem
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