Schlafende Geister
befragen konnte.
»Kam gerade auf Sky News«, erzählte mir Cal. »Und ich hab’s auf dem Polizeiscanner gehört.« Er lächelte mich an. »Wahrscheinlich wollen sie auch mit dir reden, weil du jemanden live im Fernsehen verficktes Arschloch genannt hast.«
»Gibt es ein Gesetz, das das verbietet?«
»Weiß der Himmel. Willst du ’n Kaffee?«
Während Cal Kaffee machte, ging ich hinüber zum Sofa und setzte mich hin, zündete eine Zigarette an und starrte auf den stumm geschalteten Fernseher. Dort wurde gerade ein Bild von mir gezeigt, mit einem durchlaufenden Textband darunter: WUTAUSBRUCH BEI INTERVIEW: EHEMANN VON SERIENMÖRDER-OPFER WEGEN KÖRPERVERLETZUNG ANGEZEIGT. Kurz darauf wurde mein Bild durch ein Foto von Stacy ersetzt und danach erschien ein verschwommenes Polizeifoto von Anton Viner …
Ich nahm die Fernbedienung und stellte den Fernseher aus. »Also, was läuft da, John?«, fragte Cal, setzte sich neben mich und reichte mir eine Tasse Kaffee. »Diese ganze Sache mit Anton Viner … ist da was dran?«
Ich sah ihn an. »Vertraust du mir?«
»Ja, natürlich.«
»Und wenn ich dir sagen würde, ich weiß ohne jeden Zweifel, dass Anton Viner nicht Anna Gerrish getötet hat, kann dir aber nicht erklären, woher und wieso ich es weiß … könntest du das akzeptieren?«
Er zögerte einen Moment, dachte darüber nach, dann nickte er einfach. »Viner hat Anna nicht umgebracht?«
»Nein.«
»Und du weißt das ganz sicher?«
»Ja.«
»Okay«, sagte er. »Das reicht mir.« Er lächelte. »Und heißt das, wir sind wieder dran an dem Fall?«
Ich sah ihn an. »Ich hab das komische Gefühl, du hast ihn sowieso nie beiseitegelegt.«
Obwohl ich Cal vor zwei Wochen gesagt hatte, er solle sich von dem Fall zurückziehen, war mir die ganze Zeit klar gewesen, dass er es nicht tun würde – er war dazu schlicht und ergreifend nicht in der Lage. Ich wusste, dass er einfach weiter wühlen, weiter herumstochern, weiter Steine anheben musste, um zu sehen, was darunter war … und ich hatte natürlich recht, genau das hatte er getan.
»Dieser Charles Raymond Kemper, nach dem wir suchen, existiert nicht«, erklärte er mir. »Ich hab ihn durch mein automatisches Suchprogramm gejagt und bin auch noch selbst jede einzelne Datenbank durchgegangen, die infrage kam. Ich hab jede denkbare Kombination von Namen und Initialen benutzt, aber es war nichts zu finden, das irgendwie Sinn macht. Die Adresse in Leicester existiert nicht. Es gibt keine Geburtsurkunde von irgendjemandem mit dem Namen Kemper, die zu dem Geburtsdatum in den Unterlagen der Kraftfahrzeugzulassungsstelle passt.« Cal sah mich an. »Es gibt einfach nirgends eine Spur von unserem Charlie Kemper.«
»Dann ist der Führerschein also gefälscht?«
»Ja, aber es geht noch weiter. Gefälschte Ausweise sind ja keine Schwierigkeit und gefälschte Führerscheine ein Dreck. Aber sogar bei richtig guten Fälschungen komm ich normalerweise hinter die Falschinfo und finde irgendwelche kleine Spuren, die mich weiterbringen. Aber bei dem hier …« Er zuckte die Schultern. »Da ist einfach nichts da. Überhaupt nichts.«
»Verstehe, dann ist also der Name falsch und die Adresse auch … nur der Typ in dem Nissan, den gibt es wirklich.«
»Ja, schon …«
»Wir haben ihn auf den Überwachungsbildern gesehen.«
Cal sah mich an. »Aber die sind inzwischen weg.«
»Was ist weg?«
»Die gespeicherten Überwachungsfilme, das Zeug, was wir auf dem Rechner der Stadtverwaltung gefunden haben. Alles gelöscht.«
»Seit wann?«
»Seit ungefähr zehn Tagen.«
»Scheiße.«
»Ist kein großes Problem … ich hab noch Kopien, und wenn nicht jemand ganz genau weiß, was er tut, ist es so gut wie unmöglich, etwas vollständig zu löschen.«
»Wer könnte die Filme gelöscht haben?«
Cal zuckte die Schultern. »Jeder, der Zugang zu dem System hat.«
»Bishop?«
»Ich seh keinen Grund, wieso nicht.«
»Okay«, seufzte ich und zündete mir eine Zigarette an. »Was hast du noch?«
Er hatte Graham Gerrish ziemlich gründlich überprüft, erklärte er mir, sich in seinen Laptop gehackt und seine Vorliebe für sehr junge Mädchen bestätigt gefunden, womit immer klarer wurde, dass er Anna wohl tatsächlich missbraucht haben musste. Doch Cal hatte nichts entdeckt, was die Annahme stützte, Gerrish könne der Mann in dem Nissan sein.
»Ich glaube nicht, dass er seine Tochter umgebracht hat«, sagte Cal.
»Nein, er hat sie bloß gefickt.«
Cal sah mich
Weitere Kostenlose Bücher