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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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widerlegte Ray plötzlich meinen Eindruck, indem er auf Bishop zutrat und ihn, wie es schien, aus vollem Herzen umarmte. Und auch wenn Mick einen Moment auf Abstand ging, war es doch nur ein Moment, dann erwiderte er die Umarmung seines Bruders, hielt ihn fest an sich gedrückt, klopfte ihm auf den Rücken und flüsterte ihm was ins Ohr …
    »Wie rührend«, murmelte Cal.
    »Glaubst du, er ist es?«, fragte ich, weiter auf Ray starrend. »Ich meine, glaubst du, er ist der Mann, den wir in dem Nissan gesehen haben … der, zu dem Anna ins Auto gestiegen ist?«
    Cal überlegte, den Blick weiter auf Ray konzentriert. »Er könnte es schon sein, ja … aber beschwören würde ich’s nicht.«
    Ich nickte und sah zu, wie sich die beiden irgendwann wieder losließen und ihr Gespräch fortsetzten. Bishop wirkte immer noch alles andere als glücklich, aber zumindest schien er jetzt viel ruhiger. Nach einer Weile sah ich, wie er in die Richtung seines Wagens deutete. Ray sagte etwas, nickte dann, und beide gingen auf den Parkplatz zu.
    »Die fahren«, flüsterte Cal und griff nach dem Zündschlüssel.
    »Warte noch einen Moment«, sagte ich zu ihm. »Lass den Motor noch aus.«
    Ich beobachtete, wie sie auf den Honda Prelude zugingen. Bishop schloss auf, Ray setzte sich auf die Beifahrerseite, und nach einem kurzen Blick in alle Richtungen stieg auch Bishop ein und startete den Wagen.
    »Jetzt?«, fragte Cal mit der Hand am Zündschloss.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich sag dir, wann.«
    Ich wartete ab, bis der Prelude aus der Parklücke zurücksetzte und auf die Ausfahrt des Parkplatzes zufuhr. Und dann sagte ich Cal, dass er losfahren solle.
    »Aber bleib ganz ruhig«, wies ich ihn an, als er startete. »Und fahr nicht zu dicht hinterher.«
     
    Cal schaffte es erstaunlich gut, dem Prelude zu folgen – ehrlich gesagt machte er es sehr viel besser, als ich es gekonnt hätte –, und als der Honda nach etwa einer halben Stunde langsamer wurde, nach links blinkte und am Rand einer Wohnstraße hielt, war ich mir ziemlich sicher, das man uns nicht entdeckt hatte.
    »Fahr weiter«, sagte ich zu Cal. »Und halt den Blick stur geradeaus.«
    Als wir an dem abgestellten Prelude vorbeifuhren, drehte ich den Kopf weg, sodass Bishop, selbst wenn er zufällig zu uns herübersah, mein Gesicht nicht sehen konnte.
    »Halt da drüben an«, sagte ich ein paar Sekunden später. »Und blink nicht.«
    Cal tat, was ich ihm sagte, und hielt ungefähr dreißig Meter von dem Prelude entfernt zwischen zwei anderen Wagen am Straßenrand. Ich stellte den Außenspiegel gerade rechtzeitig so ein, dass ich sehen konnte, wie Ray aus dem Wagen stieg, den Mantelkragen hochschlug, sich dann noch mal hineinbeugte und seinem Bruder etwas sagte. Er lächelte, fasste hinüber und tätschelte Micks Schulter, dann trat er zurück und schaute zu, wie der Prelude ausscherte und wegfuhr. Als der Wagen an uns vorbeikam, wandte ich wieder den Kopf ab. Als ich mich zurückdrehte, sah ich, wie Ray ein Gartentor öffnete und den Weg zu der einen Seite eines kleinen Doppelhauses entlangging. Vor der Haustür blieb er stehen, schaute sich um, dann schloss er die Tür auf und verschwand. Ein paar Sekunden später ging unten das Licht an.
    »Und jetzt?«, fragte Cal.
    Ich zündete eine Zigarette an. »Das ist doch die Long Road, oder?«
    »Ja.«
    »Kannst du die Hausnummer erkennen?«
    Cal stellte den Rückspiegel ein und warf einen Blick auf das Haus. »Eins sieben vier, glaube ich … ja, hundertvierundsiebzig.«
    »Ist dein iPhone mit allen Datenbanken verbunden, die du benutzt?«
    Er lächelte, fasste in seine Tasche und zog das iPhone heraus. »Ich brauch nur ein paar Minuten.«
    Während er irgendwas machte – was auch immer es war, blättern und scrollen, von einer Website zur andern springen –, betrachtete ich voller Bewunderung den abgetragenen alten Filzhut auf seinem Kopf. Er trug ihn richtig – leicht zur Seite geneigt, im idealen Winkel –, und während das Teil bei jemand anderem leicht hätte piefig wirken können, stand es Cal einfach perfekt.
    »Schöner Hut«, sagte ich.
    »Ist mein Detektivhut«, erwiderte er grinsend, ohne von seinem iPhone aufzusehen.
    »Danke für deine Hilfe bei alldem, Cal.«
    Er zuckte mit der Schulter. »Kein Problem.«
    »Und tut mir leid, dass ich vorhin so stinkig war.«
    »Stinkig?«, fragte er lächelnd.
    »Ja, du weißt schon, als ich gesagt hab, du sollst dich in den Griff kriegen.«
    »Vergiss es«, sagte er. »Du

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