Schlafende Geister
Stück Fleisch namens Dave. Ich hatte Dave noch nie leiden können. Er hatte ein selbstzufriedenes Lächeln, schöne Zähne, Koteletten, trug teure Anzüge und eine ebenso teure Uhr. Er war der Typ Mann, der einen Golfschirm hinten in seinem Geschäftswagen liegen hat, der Typ Mann, der quietschende Schuhe trägt. Seinen Nachnamen kannte ich nicht, aber mir gefiel der Gedanke, dass er vielleicht Dave hieß. »Hi«, konnte ich ihn in meiner Vorstellung sagen hören. »Dave Dave, sehr erfreut. Ja, korrekt, ganz genau …«
Nein, ich konnte Dave kein bisschen leiden.
Nicht dass es wichtig war …
»Hi, John«, sagte Bridget fröhlich, als wir am Vorgartentor zusammenstießen. Und dann: »Scheiße! Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«
»Ach, nichts … nur ein blöder Unfall«, murmelte ich und versuchte, nicht allzu offen auf ihre Haare zu starren. »Bin gestürzt, ein paar Stufen runter.«
»Du musst dir Eis drauflegen«, sagte sie und schaute genauer hin.
»Hat mir schon jemand gesagt.« Ich sah sie an. »Gefällt mir, was du mit deinen Haaren gemacht hast.«
Sie lächelte breit und fuhr mit den Fingern hindurch. »Wirklich? Und du findest nicht, dass es zu viel ist?«
»Nein … steht dir echt.«
Dave Dave, der sich, um Gleichgültigkeit zu heucheln, während unseres Gesprächs träge im Vorgarten umgeschaut hatte, platzte plötzlich dazwischen. »Mach schon, Bridge«, knurrte er und fasste sie am Arm. »Wir sollten jetzt los.«
»Ja, okay.« Sie warf mir ein Lächeln zu. »Bis später, John. Und vergiss nicht das Eis.«
Ich lächelte zurück und nickte flüchtig Dave zu, dann trat ich zur Seite, um die beiden vorbeizulassen. Danach blieb ich noch einen Augenblick stehen und überlegte, ob ich mich umdrehen und vielleicht winken sollte … aber nachdem ich kurz darüber nachgedacht hatte, beschloss ich, es sein zu lassen, und ging ins Haus.
Bridgets Hund Walter wartete im Flur, als ich die Haustür öffnete. Der große alte Windhund saß mit einem abgekauten Gummiknochen im Maul auf der Treppe. Ich streckte die Hand aus und kraulte ihm den Kopf.
»Hey, Walter«, sagte ich. »Wie geht’s?«
Sein Schwanz klopfte, sein Maul klappte zu einem trägen Hundelächeln auf und der Gummiknochen fiel zu Boden. Ich bückte mich, hob den Knochen auf und gab ihn Walter zurück.
»Bitte schön.«
Er sah mich an, nahm den Knochen ins Maul und ließ ihn wieder fallen. Er war inzwischen fast vierzehn, seine Schnauze schlaff und bleich und das scheckige graue Fell im Nacken von weißen Strähnen durchzogen. Er näherte sich seinem Lebensende. Aber für Walter war das nicht so schlimm. Alt zu werden ist für Hunde nicht dasselbe wie für uns, denn anders als wir wissen Hunde nicht, dass sie sterben werden.
Ich ließ ihn an seinem Platz und ging in meine Wohnung.
Mein vertrauter Lebensraum begrüßte mich wie immer mit einem gesetzten, staubigen Schweigen. Dieser Ort hat schon immer etwas Bewohntes ausgestrahlt: Da ist das Wohnzimmer, geräumig und hoch, mit schlichten Holzmöbeln und soliden alten Wänden und einer schweren Doppeltür, die zum Schlafzimmer führt. Dann folgt ein Torbogen mit Stufen, die einen hinunter in den nach hinten gelegenen engen Küchenbereich bringen. Eine schmale Tür am anderen Ende der Küche öffnet sich zum Badezimmer und eine doppelverglaste Flügeltür führt in den von Ziegelmauern umschlossenen hinteren Garten.
Alles ist so, wie es ist, wie es sein soll – genau so mag ich es.
Und es birgt keine Erinnerungen für mich.
Auch das mag ich.
Ich ging hinüber zu dem alten Sessel unter dem hohen Fenster im Wohnzimmer, setzte mich hin und zündete eine Zigarette an. Meine Augen waren träge und schwer und tief im Innern spürte ich eine lastende Müdigkeit. Noch war sie fern, aber bald – das wusste ich – würde sie hinter mir emporkriechen und mir eine Decke über den Kopf stülpen – eine kalte, schwarze, schmierige alte Decke. Und wenn das geschah, wäre ich zu nichts mehr fähig. Ich wäre an dem schwarzen Ort, dem Ort, an dem ich mich nicht rühren kann, wo ich mich noch nie rühren konnte … dem Ort, an dem es nichts anderes gibt … überhaupt nichts. Und wenn ich dort bin, bin ich mein ganzes Leben lang dort gewesen und werde für den Rest meines Lebens dort bleiben, in die Dunkelheit getaucht. Ich kann nichts tun. Ich will nichts. Wozu auch? In fünfzig Jahren sind wir sowieso alle tot, schweben zurück zu den Sternen oder liegen im dunklen Erdreich, von
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