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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Quayside belebten sich langsam mit den ersten Disco- und Kneipengängern. Während ich die Beifahrertür öffnete und Helen einsteigen ließ, hörte ich das Gekreisch und das maschinengewehrartige High-Heel-Klappern einer Gruppe von Partygirls, die auf dem Weg waren, sich ins Nachtleben zu stürzen. Und ich fragte mich kurz, was die nächsten vier oder fünf Stunden wohl für sie bereithalten würden – Liebe, Sex, Glück … oder einen betrunkenen Schlag ins Gesicht?
    Ich schaute zu Helen hinunter. »Wäre es in Ordnung, wenn ich Ihnen ein Taxi besorge, das Sie nach Hause fährt?«
    »Ein Taxi? Ja … ja, natürlich …«
    »Nur weil das Wyvern nicht weit von hier ist«, erklärte ich ihr. »Da könnte ich gleich mal vorbeischauen, wenn ich schon in der Gegend bin, verstehen Sie … mal horchen, ob jemand was weiß.«
    »Ja«, wiederholte Helen. »Ja, natürlich.«
    »Und es macht Ihnen wirklich nichts aus?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ich schaute sie an, wie sie dasaß – verzweifelt und verloren –, und wollte mich schon umentscheiden. Doch sie bezahlte mich schließlich nicht dafür, dass ich mich um sie kümmerte. Sie bezahlte mich dafür, ihre Tochter zu finden.
    Und außerdem musste ich mal wieder eine Weile für mich allein sein.
    Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Und ich brauchte dringend einen Drink.
     
    Es gab einen Taxistand ganz in der Nähe der Nachtclubs und es gelang mir, für Helen Gerrish das Taxi mit dem am wenigsten unappetitlich aussehenden Fahrer zu finden. Sie wirkte nicht besonders glücklich, als es losfuhr, und ich konnte ein leichtes Schuldgefühl nicht unterdrücken, doch es fiel mir nicht weiter schwer, diese Regung zu ignorieren.
    Als ich wieder in meinen Wagen stieg, hinunter in den alten Teil von Quayside fuhr und mich zu erinnern versuchte, wo genau das Wyvern lag, bemerkte ich plötzlich ungefähr dreißig Meter hinter mir einen silbergrauen Renault. Er war zu weit weg, um den Fahrer zu erkennen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich denselben Renault schon in der Straße vor dem Wohnblock hatte parken sehen.
    Sehr wahrscheinlich war überhaupt nichts dran, trotzdem schrieb ich mir für alle Fälle das Kennzeichen auf, und als ich endlich die Straße fand, in der das Wyvern lag – ein kleines, enges Sträßchen namens Miller’s Row –, und sah, dass der Renault immer noch hinter mir war, bremste ich ab, als wollte ich in die Miller’s Row einbiegen, aber dann wechselte ich in der allerletzten Sekunde den Gang und fuhr weiter geradeaus. Ich beschleunigte nicht, sondern fuhr mit gleichbleibendem Tempo aus Quayside heraus, hoch in die Stadt, und erst dort bog ich ein paar Mal rechts ab, sodass ich allmählich wieder hinunter nach Quayside kam. Als ich erneut die Miller’s Row erreichte, war weit und breit nichts mehr von dem Renault zu sehen. Ich parkte mein Auto auf halber Höhe der Straße, stellte den Motor ab und wartete.
    Zwei Zigaretten später war immer noch nichts von dem Renault zu sehen.
    Ich stieg aus, schloss den Wagen ab und ging die Straße hinauf Richtung Wyvern.
     
    In meiner Teenagerzeit war das Wyvern fast ausschließlich ein Biker-Pub. Wer kein Biker oder Drogendealer war und keine Lust hatte, zusammengeschlagen zu werden, ging dort nicht rein. Der größte Teil der Klientel waren Mitglieder einer Motorradgang namens Satans Slaves. (Genau wie ihre berühmteren Rivalen, die Hells Angels, gaben sie sich nicht mit Apostrophen ab – ein Fehler, auf den sie bestimmt nicht oft hingewiesen wurden, zumindest nicht direkt ins Gesicht.) Damals lief immer irgendwas im Wyvern – Schlägereien, Drogendeals, Messerstechereien, Schießereien – und im Lauf der Jahre war der Laden unzählige Male überfallen worden. Er wurde dichtgemacht, saniert und unter neuer Leitung wiedereröffnet, erneut geschlossen, abermals wiedereröffnet … und inzwischen wirkte er nicht mehr ganz so einschüchternd wie früher. Die meisten Biker waren weg – wohin auch immer alte Biker verschwinden –, doch ein paar hingen gewöhnlich noch rum, wenn man reinkam, ein Restbestand von abgeschabtem Leder, Ohrringen, Patchouliöl und spermafleckigen Jeans.
    Der Pub ist ziemlich groß. Als ich an diesem Abend eintrat, war es schon relativ voll. Die meisten Nachtschwärmer trinken lieber in den neueren Pubs oben in Quayside, doch die Verwegeneren lockt die zwielichtige Atmosphäre und das reichliche Drogenangebot. Ich ging davon aus, dass etwa die Hälfte der Leute Stammgäste

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