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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Schreib­tisch, wo er auf die Tas­ten sei­ner Schreib­ma­schi­ne ein­häm­mer­te, als hin­ge sein Le­ben da­von ab.
    Das war nicht ge­ra­de die Re­ak­ti­on, die Se­li­na sich er­hofft hat­te. Sie war­te­te einen Au­gen­blick, ob er es sich nicht noch an­ders über­leg­te, doch nichts pas­sier­te, und so schluck­te sie den Kloß in ih­rem Hals her­un­ter, ver­such­te, das lä­cher­li­che Bren­nen in ih­ren Au­gen zu igno­rie­ren, und ging in die Kü­che. Dort öff­ne­te sie den Brot­kas­ten und leg­te ein Brot nach dem an­de­ren auf den Tre­sen, bis sie schließ­lich zu dem Blatt Pa­pier kam, un­ter dem sie ih­ren Paß ver­steckt hat­te.
    Er war nicht da. Trä­nen, Ent­täu­schung, al­les wur­de von ei­ner Wel­le der Pa­nik weg­ge­spült. Ihr Paß war wirk­lich weg.
    „Ge­or­ge!“ Er tipp­te so laut, daß er sie nicht hör­te. „Ge­or­ge, ich... ich ha­be mei­nen Paß ver­lo­ren.“
    Er hör­te auf zu schrei­ben und hob die Au­gen­brau­en. „Schon wie­der?“ frag­te er in­ter­es­siert.
    „Er ist nicht da! Ich hab ihn hier hin­ein­ge­tan, und er ist nicht da! Ich ha­be ihn ver­lo­ren!“
    Ge­or­ge schüt­tel­te fas­sungs­los den Kopf. „Gü­ti­ger Him­mel!“
    „Wie kann das nur pas­siert sein?“ jam­mer­te sie. „Ob Jua­ni­ta ihn ge­fun­den hat? Viel­leicht hat sie den Brot­kas­ten sau­ber­ge­macht und den Paß ver­brannt. Oder weg­ge­wor­fen! Viel­leicht hat ihn je­mand ge­stoh­len. Oh, was wird jetzt mit mir ge­sche­hen?“
    „Ich wa­ge es mir gar nicht vor­zu­stel­len...“
    „Hät­te ich ihn bloß nie da ver­steckt!“
    „Sie sind in Ih­re ei­ge­ne Fal­le ge­lau­fen“, sag­te Ge­or­ge schein­hei­lig und wand­te sich wie­der sei­ner Schreib­ma­schi­ne zu.
    Se­li­na run­zel­te fra­gend die Stirn. Ir­gend­wie ver­hielt er sich merk­wür­dig ru­hig. Und dann war da ein Fun­keln in sei­nen dunklen Au­gen, das sie miß­trau­isch mach­te. Hat­te er ih­ren Paß et­wa ge­fun­den? Hat­te er ihn ge­fun­den und ver­steckt und ihr nichts da­von ge­sagt? Sie ver­ließ die Kü­che und ging su­chend durch das Zim­mer.
    Schließ­lich blieb sie hin­ter Ge­or­ge ste­hen. Er trug sei­ne ab­ge­tra­ge­nen, salz­ver­krus­te­ten Jeans, und die rech­te Ge­säß­ta­sche sah auf­fal­lend recht­e­ckig aus, als ent­hiel­te sie ein klei­nes Buch oder ei­ne große Kar­te... Er tipp­te im­mer noch mit al­ler Kraft, aber als Se­li­na ih­re Hand aus­streck­te, um sei­ne Ho­sen­ta­sche zu un­ter­su­chen, griff er hin­ter sich und gab ihr einen leich­ten Klaps.
    Die Pa­nik war ver­ges­sen. Sie lach­te vor Er­leich­te­rung, vor Glück, vor Lie­be, und schlang die Ar­me um sei­nen Hals. „Du hast ihn! Du hast ihn ge­fun­den! Du hat­test ihn schon die gan­ze Zeit, du Scheu­sal!“
    „Möch­test du ihn wie­der­ha­ben?“
    „Nur wenn du willst, daß ich mit Rod­ney nach Lon­don flie­ge.“
    „Das will ich nicht.“
    Sie küß­te ihn und rieb ih­re wei­che Wan­ge an sei­ner rau­hen, krat­zi­gen, die nicht weich war und nach Ra­sier­was­ser duf­te­te, son­dern wet­ter­ge­gerbt, braun­ge­brannt und durch­zo­gen von fei­nen Li­ni­en, so le­ben­dig und ver­traut wie ei­nes sei­ner rau­hen Ar­beits­hem­den. „Ich möch­te auch nicht mehr fort“, sag­te sie. Er hat­te ei­ne gan­ze Sei­te voll­ge­schrie­ben. Se­li­na leg­te ihr Kinn auf sei­nen Kopf und frag­te: „Was schreibst du da?“
    „Ein kur­z­es Ex­po­se.“
    „Von dem neu­en Buch? Wo­von han­delt es?“
    „Von der Kreuz­fahrt in der Ägäis.“
    „Wie wird es hei­ßen?“
    „Ich ha­be nicht die ge­rings­te Ah­nung, aber ich wer­de es dir wid­men.“
    „Wird es gut wer­den?“
    „Ich hof­fe es. Aber of­fen­ge­sagt ha­be ich be­reits ei­ne Idee für ein drit­tes Buch. Einen Ro­man...“ Er nahm ih­re Hand und zog Se­li­na zu sich her­an. Sie setz­te sich auf die Ecke sei­nes Schreib­tischs und sah ihn ge­spannt an. „Ich dach­te, es könn­te von ei­nem Kerl han­deln, der an ir­gend­ei­nem stil­len Ort lebt, kei­ner See­le et­was zu­lei­de tut und sich nur um sei­ne ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten küm­mert. Und da kommt plötz­lich die­ses Mäd­chen. Sie ist von ihm be­ses­sen. Läßt ihn ein­fach nicht in Ru­he. Ent­frem­det

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