Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
leicht ge­gen sei­ne lin­ke Hand­flä­che. Da er ir­gend je­man­den für die­se un­an­ge­neh­me Si­tua­ti­on ver­ant­wort­lich ma­chen muß­te, sag­te er schließ­lich leicht ver­är­gert: „Na­tür­lich ist an all­dem dei­ne Groß­mut­ter schuld. Sie hät­te dich nie über dei­nen Va­ter im un­kla­ren las­sen dür­fen. Die­se Ge­heim­nis­tue­rei, die­ses Ver­schwei­gen sei­nes Na­mens... ein lä­cher­li­cher Feh­ler.“
    „Wie­so?“ frag­te Se­li­na in­ter­es­siert.
    „Weil dich das ge­ra­de­zu be­ses­sen ge­macht hat!“ Sei­ne un­er­war­tet hef­ti­ge Re­ak­ti­on ver­blüff­te Se­li­na. Sie starr­te ihn mit of­fe­nem Mund an wie ein er­staun­tes Kind.
    Rod­ney schimpf­te un­barm­her­zig wei­ter. „Du bist be­ses­sen von Vä­tern, von Fa­mi­li­en, vom Fa­mi­li­en­le­ben über­haupt. Die Tat­sa­che, daß du die­ses Fo­to vor al­len ver­steckt hast, ist ein deut­li­ches Sym­ptom.“
    „Du re­dest, als hät­te ich die Ma­sern.“
    „Ich ver­su­che dir be­greif­lich zu ma­chen, daß du einen Kom­plex hast, was dei­nen ver­stor­be­nen Va­ter be­trifft.“
    „Viel­leicht ist er gar nicht ver­stor­ben“, ent­geg­ne­te Se­li­na.
    „Und falls ich wirk­lich einen Va­ter­kom­plex ha­be, mußt du zu­ge­ben, daß es nicht mei­ne Schuld ist. Was ist so schlimm dar­an, einen Kom­plex zu ha­ben? Im­mer­hin schielt man nicht oder hat ein Glas­au­ge. Nie­mand sieht es ei­nem an.“
    „Se­li­na, das ist über­haupt nicht ko­misch.“
    „Ich fin­de es auch über­haupt nicht ko­misch.“
    Rod­ney seufz­te. Sie strit­ten sich. Das hat­ten sie noch nie ge­tan, und dies war si­cher­lich nicht der rich­ti­ge Zeit­punkt, um da­mit zu be­gin­nen. Al­so sag­te er schnell: „Lieb­ling, es tut mir leid“, und beug­te sich vor, um sie auf den Mund zu küs­sen, doch sie wand­te das Ge­sicht ab, so daß er nur ih­re Wan­ge traf. „Ver­stehst du nicht“, fuhr er fort, „ich den­ke da­bei nur an dich. Ich möch­te nicht, daß du ir­gend­ei­nem frem­den Mann bis ans En­de der Welt nach­läufst, nur um dann fest­stel­len zu müs­sen, daß du dich zum Nar­ren ge­macht hast.“
    „Aber, an­ge­nom­men, nur ein­mal an­ge­nom­men, er ist wirk­lich mein Va­ter. Er lebt noch, und zwar auf San An­to­nio. Schreibt Bü­cher, se­gelt mit sei­ner klei­nen Yacht her­um und ver­steht sich wun­der­bar mit den Ein­hei­mi­schen. Dann wür­dest du doch wol­len, daß ich ihn ken­nen­ler­ne, nicht wahr? Du wür­dest doch sel­ber ger­ne einen rich­ti­gen Schwie­ger­va­ter ha­ben wol­len.“
    Das war nun das letz­te, was Rod­ney woll­te. „Wir dür­fen da­bei nicht nur an uns den­ken“, sag­te er sanft. „Wir müs­sen auch an ihn den­ken, Ge­or­ge Dyer, ob er nun dein Va­ter ist oder nicht.“
    „Was meinst du da­mit?“
    „In all die­sen Jah­ren hat er sich ein ei­ge­nes, an­ge­neh­mes Le­ben auf­ge­baut. Ein Le­ben, das er sich selbst aus­ge­sucht hat. Wenn er ei­ne Fa­mi­lie mit all ih­ren Bin­dun­gen, wenn er Frau und Söh­ne ge­wollt hät­te... und Töch­ter na­tür­lich, dann hät­te er sie in­zwi­schen.“
    „Du meinst, er will mich viel­leicht gar nicht? Er will nicht, daß ich nach ihm su­che?“
    „Du denkst doch nicht ernst­haft dar­an, einen sol­chen Schritt zu un­ter­neh­men?“ frag­te Rod­ney ent­setzt.
    „Es ist mir so wich­tig. Wir könn­ten nach San An­to­nio flie­gen.“
    „Wir?“
    „Ich möch­te, daß du mit­kommst. Bit­te.“
    „Das ist ganz und gar un­mög­lich. Au­ßer­dem muß ich für drei bis vier Ta­ge nach Bour­ne­mouth, das ha­be ich dir be­reits ge­sagt.“
    „Kann Mrs. West­man nicht war­ten?“
    „Selbst­ver­ständ­lich nicht.“
    „Ich möch­te so gern, daß du mit­kommst. Hilf mir, Rod­ney.“
    Rod­ney miß­ver­stand die­se Bit­te. Er dach­te, die­ses „Hilf mir“ wä­re im prak­ti­schen Sin­ne ge­meint. Hilf mir beim Kauf des Flug­tickets, hilf mir, ins rich­ti­ge Flug­zeug zu stei­gen, hilf mir beim Zoll, ruf mir ein Ta­xi und einen Ge­päck­trä­ger. Se­li­na war noch nie in ih­rem gan­zen Le­ben al­lein ver­reist, und er war über­zeugt, daß sie es auch jetzt nie­mals wa­gen wür­de.
    Er ver­such­te es mit Char­me, setz­te sein freund­lichs­tes Lä­cheln auf,

Weitere Kostenlose Bücher