Schlafender Tiger. Großdruck.
genau die richtige Höhe für einen bequemen Sitzplatz, und führte an den Wänden als eine Art Sims weiter, auf dem sich Kissen und Decken, Bücherstapel, eine Lampe, ein teilweise gespleißtes Stück Tau, ein Stapel Papiere und Zeitschriften und eine Kiste mit leeren Flaschen befanden.
Vor dem Kamin stand ein riesiges, durchhängendes Sofa mit hellblauem Leinenbezug, das mindestens sechs Personen problemlos Platz bot. Darüber war eine rotweiß gestreifte Decke gebreitet. Auf der anderen Seite des Zimmers, im rechten Winkel zum Lichteinfall, stand ein billiger, kniehoher Schreibtisch. Selina sah noch mehr Papiere, eine Schreibmaschine, eine Schachtel mit offenbar ungeöffneten Briefen und ein Fernglas. In die Schreibmaschine war ein Blatt Papier eingespannt, und Selina konnte nicht widerstehen, einen Blick darauf zu werfen.
George Dyers neuer Roman, las sie. Ene mene mu und raus bist du. Dann folgte eine Reihe von Sternchen und ein Ausrufezeichen.
Selina schüttelte den Kopf. Soviel zu Mr. Rutlands Hoffnungen!
Zwischen der Küche und der Tür befand sich ein Brunnen mit einem schmiedeeisernen Haken für den Eimer und einer breiten Ablage, auf der eine halbleere Flasche und ein Kaktus standen. Selina blickte hinunter und sah dunkles, glänzendes Wasser. Es roch süß und angenehm, und sie hätte gern davon getrunken. Doch ihre Großmutter hatte sie immer davor gewarnt, im Ausland ungekochtes Wasser zu trinken, und dies war wirklich nicht der Zeitpunkt, um eine Magenverstimmung zu riskieren.
Sie ging in die Mitte des Zimmers und blickte hinauf zur Galerie. Die Neugierde war einfach zu groß, und so stieg sie die Leiter hoch und entdeckte ein wunderschönes Schlafzimmer mit einer schrägen Decke und einem riesigen geschnitzten Bett (wie hatte man das bloß jemals hier heraufbekommen?) in der Mitte, direkt unter der höchsten Stelle des Giebels. Für weitere Möbel blieb kaum Platz, zwei Seemannskisten dienten offenbar als Kommoden, und ein Vorhang ersetzte den Kleiderschrank. Am Kopfende des Bettes stand eine Apfelsinenkiste, auf der sich Bücherstapel neben einer Lampe, einem Transistorradio und einem Schiffschronometer türmten.
Als Tomeu von der Terrasse her nach ihr rief, kletterte Selina hastig die Leiter hinunter. Tomeu saß an der Wand in Gesellschaft einer riesigen weißen Perserkatze. Er drehte sich lächelnd zu Selina um und hob die Katze hoch, als wollte er sie ihr geben.
„Señor Dyer“, sagte er und zeigte auf die Katze, die mitleiderregend miaute, sich nach kurzem Kampf aus Tomeus Armen befreite und in eine sonnige Ecke der Terrasse stolzierte, wo sie sich würdevoll setzte und den Schwanz um die Vorderpfoten ringelte.
„Sie ist sehr groß“, bemerkte Selina. Tomeu runzelte die Stirn. „Groß“, wiederholte sie und breitete die Arme aus. „Groß.“
Tomeu lachte. „Si, muy grande.“
„Ist das Señor Dyers Katze?“
„Si. Señor Dyer."
Selina lehnte sich über die Brüstung. Zu ihren Füßen lag ein kleiner felsiger Garten mit ein paar knorrigen Olivenbäumen. Sie entdeckte, daß die Casa Barco, wie alle Häuser, die an einem Hang gebaut sind, mehrere Ebenen hatte und daß die Terrasse in Wirklichkeit das Dach eines Bootshauses war, von dem aus zwei Schienen ins Wasser führten. Die Terrasse war durch eine Treppe mit der unteren Ebene verbunden, und direkt unter ihnen saßen zwei Männer, die plauderten und Fische ausnahmen. Während sie gekonnt mit ihren Messern hantierten, glänzten die Klingen in der Sonne. Sie spülten die Fische im Meer, wobei das ruhige jadegrüne Wasser aufgewühlt wurde.
Tomeu bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn hinunter. Die
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