Schlafender Tiger. Großdruck.
amerikanischen Freunden hier gelandet und hatte sich nach sechs Wochen in deren Gesellschaft dermaßen gelangweilt, daß sie, als alle für eine Party an Land gingen, nicht an Bord zurückkehrte. Nach einem dreitägigen Besäufnis war sie mit einem kolossalen Kater in einem fremden Bett aufgewacht und mußte feststellen, daß die Yacht samt den amerikanischen Freunden die Insel ohne sie verlassen hatte.
Allein zurückzubleiben machte Frances nicht das geringste aus. Sie hatte bereits eine Menge Freundschaften geschlossen, war reich, zweimal geschieden und frei wie ein Vogel. San Antonio fand sie wunderbar. Maler, Schriftsteller, Aussteiger, interessante Menschen aller Nationalitäten waren hier gestrandet, und Frances, die einmal einige Monate lang mit einem erfolglosen Künstler in Greenwich zusammengelebt hatte, fühlte sich vollkommen heimisch. Es dauerte nicht lange, da hatte sie dieses Haus gefunden, und als es eingerichtet war, begann sie sich nach etwas umzusehen, mit dem sie ihre Zeit ausfüllen konnte.
Sie entschied sich für eine Kunstgalerie. An einem Ort, an dem sowohl Maler als auch Touristen zu finden waren, schien eine Kunstgalerie eine erstklassige Investition zu sein. Also kaufte sie eine ausgediente Fischhalle unten am Hafen, baute sie um und betrieb die Galerie mit einem Geschäftssinn, den sie nicht nur von ihrem Vater, sondern auch von ihren beiden Ex-Männern geerbt hatte.
Sie war knapp vierzig, doch alles an ihr strafte ihr Alter Lügen. Groß, sehr schlank, braungebrannt, mit einer Mähne blonder Naturlocken gesegnet, trug sie die Art von Kleidung, die normalerweise Teenagern vorbehalten ist. Und sie stand ihr. Enge Hosen, Männeroberhemden und Bikinis, die kaum größer waren als geknotete Taschentücher. Sie rauchte Kette, und sie wußte, daß sie zuviel trank, doch die meiste Zeit, und an diesem Morgen ganz besonders, war das Leben so wunderbar, wie sie es sich immer gewünscht hatte.
Die Party gestern abend zu Ehren von Olaf Svensens erster Ausstellung war ganz besonders erfolgreich gewesen. Olaf war der schmutzigste junge Mann, den man je gesehen hatte, sogar nach den Standards von San Antonio, mit seinem ungepflegten Bart und Fußnägeln, die man sich kaum anzusehen traute, aber seine Pop-art-Skulptur würde garantiert Aufmerksamkeit erregen, und Frances genoß es, irgendwie die Leute zu schockieren.
Natürlich hatte sie George Dyer zu der Party eingeladen - seit der Veröffentlichung seines Buches war er so etwas wie eine Berühmtheit -, doch das war noch lange keine Garantie dafür, daß er auch kam. Deshalb war Frances überglücklich gewesen, als er eintrat und sich durch den überfüllten, verrauchten Raum einen Weg zu ihr bahnte. Er erzählte, er sei in San Antonio, um ein fehlendes Teil für sein Boot abzuholen, und nachdem sie seine Kommentare über Olafs Werk gehört hatte, wußte sie, daß er nur gekommen war, weil es Getränke umsonst gab. Aber was machte das schon, Hauptsache, er war da, und nicht nur das, er war sogar geblieben, bis zum Ende der Party und danach bei Frances.
Sie kannte ihn jetzt seit ungefähr einem Jahr. Im letzten Frühling war sie nach Cala Fuerte gefahren, um sich die Arbeiten eines jungen französischen Malers anzusehen, der dort lebte. Am Ende war sie in Rodolfos Bar gelandet, wo sie dem Maler eine Reihe von Martinis spendierte. Doch als George Dyer die Bar betrat, ließ sie den Franzosen stehen, der daraufhin mit dem Kopf auf der Theke einschlief, und begann sich mit George zu unterhalten. Sie aßen schließlich zusammen zu Mittag und tranken um sechs Uhr abends immer noch Kaffee, bis es Zeit wurde, wieder auf Brandy
Weitere Kostenlose Bücher