Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
be­greif­lich ma­chen?
    Es war in­zwi­schen sehr heiß ge­wor­den. Die Son­ne brann­te auf die über­dach­te Ter­ras­se, und Se­li­na konn­te sich nicht er­in­nern, je­mals so ge­schwitzt zu ha­ben. Ih­re Ny­lon­st­rümp­fe, die Le­der­schu­he, ihr Woll­ko­stüm, al­les wur­de auf ein­mal un­er­träg­lich. Ih­re Gar­de­ro­be war un­ter die­sen Um­stän­den nicht mehr ver­nünf­tig, son­dern ge­ra­de­zu selbst­mör­de­risch.
    Aber ih­re Groß­mut­ter konn­te nack­te Bei­ne nicht aus­ste­hen, nicht ein­mal zu ei­nem Som­mer­kleid, und Hand­schu­he wa­ren für sie un­ab­ding­bar. Man er­kennt ei­ne Da­me an ih­ren Hand­schu­hen, pfleg­te sie zu sa­gen. So ein un­or­dent­li­ches Mäd­chen, oh­ne einen Hut her­um­zu­lau­fen!
    Doch ih­re Groß­mut­ter war tot. Ge­liebt, be­trau­ert, aber zwei­fel­los tot. Die Stim­me war ver­stummt, die stren­gen Ur­tei­le wür­den nie wie­der ver­kün­det wer­den. Se­li­na war auf sich al­lein ge­stellt, konn­te tun und las­sen, was sie woll­te, im Haus ih­res Va­ters und in ei­ner Welt, die weit weg war von Queen's Ga­te.
    Se­li­na ging ins Haus zu­rück, zog Schu­he und Strümp­fe aus und mach­te sich auf die Su­che nach et­was Eß­ba­rem. Wie an­ge­nehm kühl und be­freit sie sich fühl­te! Sie nahm But­ter, ei­ne To­ma­te und ei­ne kal­te Fla­sche Mi­ne­ral­was­ser aus dem Eis­schrank und schnitt sich ei­ne Schei­be Brot ab. Sie trug ih­ren klei­nen Im­biß auf die Ter­ras­se, und wäh­rend sie aß, be­trach­te­te sie die Boo­te im Ha­fen. Plötz­lich wur­de sie mü­de, doch ihr Va­ter soll­te sie auf kei­nen Fall schla­fend vor­fin­den. Man war ir­gend­wie schutz­los, wenn man im Schlaf über­rascht wur­de. Sie wür­de ir­gend­wo sit­zen müs­sen, wo es hart und un­be­quem war, und wach blei­ben.
    Schließ­lich klet­ter­te sie die Lei­ter zur Ga­le­rie hin­auf und setz­te sich so un­be­quem wie mög­lich auf die obers­te Stu­fe. Nach ei­ner Wei­le kam die rie­si­ge wei­ße Kat­ze her­ein, stieg zu ihr her­auf und mach­te es sich hef­tig schnur­rend und pfo­ten­tre­tend auf ih­rem Schoß be­quem.
    Die Zei­ger auf ih­rer Uhr wan­der­ten lang­sam wei­ter.

5
     
     
     
     
     

    I ch ver­ste­he nicht, wie­so du un­be­dingt ge­hen mußt“, sag­te Fran­ces Don­gen.
    „Das ha­be ich dir doch schon ge­sagt. Ich muß Pearl füt­tern.“
    „Pearl kann das sehr gut al­lein. Es gibt ge­nug to­te Fi­sche vor dei­nem Haus, um ei­ne gan­ze Ar­mee von Kat­zen zu er­näh­ren. Bleib noch ei­ne Nacht, Lieb­ling.“
    „Es ist nicht nur we­gen Pearl. Es ist auch we­gen der Eclip­se...“
    „Aber sie hat den Sturm heil über­stan­den...“
    „Ich bin mir nicht si­cher, ob sie ihn heil über­stan­den hat, und das Wet­ter wird wie­der schlech­ter...“
    „Al­so, gut.“ Fran­ces nahm sich noch ei­ne Zi­ga­ret­te. „Wenn du un­be­dingt willst, dann gehst du wohl bes­ser.“
    Ih­re Mut­ter, zu Hau­se in Cin­cin­na­ti, Ohio, hat­te ihr im­mer er­klärt, man kön­ne einen Mann am bes­ten hal­ten, in­dem man ihm das Ge­fühl gab, frei zu sein. Nicht daß sie be­reits das Sta­di­um er­reicht hat­te, in dem sie Ge­or­ge Dyer „hal­ten“ konn­te, denn noch ge­hör­te er ihr ja nicht ein­mal, doch sie war ei­ne Ex­per­tin in die­sem fas­zi­nie­ren­den Spiel von Ja­gen und Ge­jagt­wer­den, und sie war be­reit, sich Zeit zu las­sen.
    Jetzt saß sie auf der klei­nen Ter­ras­se ih­res Hau­ses hoch oben in der Alt­stadt von San An­to­nio. Ober­halb ih­res Hau­ses, nur ein paar hun­dert Me­ter wei­ter, er­hob sich ma­je­stä­tisch die Ka­the­dra­le, und un­ter­halb ver­sperr­te ein Ge­wirr kur­vi­ger Gas­sen, ho­her, schma­ler Häu­ser und end­lo­ser Wä­sche­lei­nen den Blick auf die al­te Fes­tungs­mau­er. Jen­seits der Mau­er be­gann die Neu­stadt mit ih­ren brei­ten Stra­ßen und baum­ge­sä­um­ten Plät­zen, die zum Ha­fen führ­ten, wo klei­ne Scho­ner, wei­ße Yach­ten mit ho­hen Mas­ten und der Damp­fer la­gen, der ge­ra­de, wie je­de Wo­che, aus Bar­ce­lo­na ein­ge­trof­fen war.
    Seit zwei Jah­ren leb­te Fran­ces jetzt an die­sem traum­haf­ten Ort. Sie war auf ei­ner Kreuz­fahrt mit ir­gend­wel­chen rei­chen

Weitere Kostenlose Bücher