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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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auf­zu­set­zen. Ich wer­de es al­lein nach San An­to­nio brin­gen, und Sie kön­nen hier­blei­ben und wei­ter­schmol­len.“
    „Wie kön­nen Sie nur et­was so Schreck­li­ches, Un­fai­res zu mir sa­gen...“
    „Al­so gut, Ju­ni­or, dann ist es eben schreck­lich. Viel­leicht sa­ge ich schreck­li­che Sa­chen, weil ich ein schreck­li­cher Mensch bin. Nur gut, daß Sie es früh ge­nug her­aus­ge­fun­den ha­ben. Und jetzt kom­men Sie her und set­zen Sie Ihr Spat­zen­hirn in Gang, da­mit wir die­ses Te­le­gramm end­lich schrei­ben kön­nen.“
    „Ich ha­be kein Spat­zen­hirn“, pro­tes­tier­te Se­li­na. „Und selbst wenn ich ei­nes hät­te, ken­nen Sie mich noch nicht lan­ge ge­nug, um das zu wis­sen. Ich sa­ge doch nur, daß ich nicht den gan­zen Tag in Un­ter­wä­sche her­um­lau­fen kann...“
    „Hö­ren Sie, dies hier ist Ca­la Fu­er­te auf San An­to­nio, nicht das vor­neh­me Queen's Ga­te. Mei­net­we­gen kön­nen Sie auch split­ter­nackt her­um­lau­fen, aber ich wür­de es vor­zie­hen, so bald wie mög­lich die­ses Geld zu be­kom­men und Sie post­wen­dend nach Ken­sing­ton Gar­dens zu Ih­rem Kin­der­mäd­chen zu­rück­zu­schi­cken.“ Er beug­te sich über den Tisch und nahm ein Blatt Pa­pier und einen Stift in die Hand. Dann blick­te er plötz­lich auf und sah sie mit un­durch­dring­li­cher Mie­ne an. „Wenn Sie äl­ter und er­fah­re­ner wä­ren, hät­ten Sie mir wahr­schein­lich längst ei­ne Ohr­fei­ge ver­passt.“
    Se­li­na sag­te sich, daß sie es sich nie im Le­ben ver­zei­hen wür­de, wenn sie jetzt in Trä­nen aus­brach. „Der Ge­dan­ke ist mir nie ge­kom­men“, er­wi­der­te sie mit ei­ner Stim­me, die nur ganz leicht schwank­te.
    „Gut. Pas­sen Sie auf, daß es so bleibt.“ Er setz­te sich hin und zog das Blatt Pa­pier zu sich her­an. „Al­so, der Na­me Ih­rer Bank ist...“

8
     
     
     
     
     

    N ach der Stil­le von Ca­la Fu­er­te, das ab­seits von je­dem Tru­bel im küh­len Schat­ten der Bäu­me lag, wirk­te San An­to­nio an die­sem Nach­mit­tag ganz be­son­ders heiß, stau­big und voll. In den Stra­ßen herrsch­te ein un­glaub­li­cher Ver­kehr, ein Durch­ein­an­der von hu­pen­den Au­tos, Mo­tor­rol­lern, Esels­kar­ren und Fahr­rä­dern. Auf den Stra­ßen dräng­ten sich der­ar­tig vie­le Men­schen, daß Ge­or­ge kei­nen Zen­ti­me­ter vor­an­ge­kom­men wä­re, wenn er nicht un­un­ter­bro­chen die Hand auf der Hu­pe ge­habt hät­te.
    Das Te­le­gra­fen­amt be­fand sich am Haupt­platz mit der baum­ge­sä­um­ten Pro­me­na­de und den Brun­nen, di­rekt ge­gen­über von Ge­or­ges Bank. Ge­or­ge park­te an ei­nem schat­ti­gen Platz, zün­de­te sich ei­ne Zi­ga­ret­te an und ging als ers­tes in die Bank. Viel­leicht war sein Geld ja in­zwi­schen doch aus Bar­ce­lo­na über­wie­sen wor­den. Dann wür­de er es sich gleich aus­zah­len las­sen, Se­li­nas Te­le­gramm zer­rei­ßen und ihr auf der Stel­le ein Rück­flug­ticket nach Lon­don kau­fen.
    Aber das Geld war noch nicht da. Der Kas­sie­rer schlug Ge­or­ge freund­lich vor, sich hin­zu­set­zen und viel­leicht vier oder fünf Stun­den zu war­ten, wäh­rend er, der Kas­sie­rer, sich be­müh­te, nach Bar­ce­lo­na durch­zu­kom­men, um her­aus­zu­fin­den, was mit dem Geld pas­siert war. Ge­or­ge frag­te fas­zi­niert, warum er vier oder fünf Stun­den wür­de war­ten müs­sen, und er­fuhr, daß das Te­le­fon ge­stört und noch nicht re­pa­riert sei.
    Nach­dem Ge­or­ge nun schon sechs Jah­re auf San An­to­nio leb­te, wuß­te er im­mer noch nicht, ob er sich über den Zeit­be­griff der In­sel­be­woh­ner är­gern oder amü­sie­ren soll­te. Er be­dank­te sich bei dem Kas­sie­rer und ver­ließ die Bank. Nach­dem er den Platz über­quert hat­te, ging er die brei­te Trep­pe hin­auf und be­trat die im­po­san­te Mar­mor­hal­le des Te­le­gra­fen­am­tes.
    Nach­dem er das be­tref­fen­de For­mu­lar aus­ge­füllt hat­te, stell­te er sich ans En­de ei­ner Schlan­ge, die sich nur sehr lang­sam vor­wärts­be­weg­te. Als er end­lich vor dem Schal­ter stand, war er mit sei­ner Ge­duld fast am En­de. Der Mann hin­ter dem Draht­git­ter hat­te ei­ne Glat­ze und ei­ne War­ze auf der Na­se und

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