Schlafender Tiger. Großdruck.
Anschein, in Eile zu sein, so gern er auch stehengeblieben wäre und sich über diese glückliche Neuigkeit unterhalten hätte. Daher war er schweißgebadet und außer Atem, als er schließlich in Rodolfos Bar ankam, und fühlte sich, als sei er in eine Falle geraten. Schwer atmend blieb er in der Tür mit dem Perlenvorhang stehen. „Rodolfo, darf ich hereinkommen?“
Rodolfo, der hinter der Bar dabei war, Gläser zu putzen, hielt inne, als er George entdeckte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „George, mein Freund!“ Er stellte das Glas, das er gerade geputzt hatte, ab und kam mit ausgebreiteten Armen auf George zu, als wolle er ihn umarmen.
George beobachtete ihn voller Skepsis. „Du wirst mich nicht schlagen?“
„Wenn überhaupt, dann solltest du mich schlagen. Aber ich hatte ja keine Ahnung. Heute morgen erst hat Rosita mir erzählt, daß die Señorita deine Tochter ist. Warum hast du mir das nicht gestern abend schon gesagt? Daß sie dein Kind ist. Ich wußte ja nicht einmal, daß du überhaupt ein Kind hast. Und dazu noch ein so schönes...“
„Rodolfo, es ist ein Irrtum...“
„Und es ist alles meine Schuld. Was mußt du von einem Mann halten, der einem alten Freund und seiner Tochter einen Gefallen verweigert?“
„Aber...“
Rodolfo hob eine Hand. „Dafür gibt es keine Entschuldigung. Sechshundert Peseten, nun gut“, er zuckte mit den Schultern, „sie wachsen nicht gerade an den Bäumen, aber sie werden mich auch nicht ruinieren.“
„Rodolfo ...“
„Mein Freund, wenn du noch ein Wort sagst, muß ich annehmen, daß du mir nicht verziehen hast. Komm, wir wollen einen Cognac zusammen trinken...“
Es war sinnlos. Er weigerte sich zuzuhören, und George hatte keine Lust, es ihm mit Gewalt beizubringen. „Ich möchte lieber einen Kaffee“, sagte er schwach. Während Rodolfo nach hinten ging und nach dem Kaffee rief, setzte George sich auf einen Barhocker und zündete sich eine Zigarette an. Als der Hotelier zurückkam, sagte George: „Du bekommst dein Geld zurück. Wir können nach London telegrafieren...“
„Dazu mußt du nach San Antonio fahren.“
„Nun, das ist nur recht und billig. Wie lange, glaubst du, würde es dauern, bis das Geld da ist?“
Rodolfo zuckte mit den Schultern. „Zwei oder drei Tage. Vielleicht eine Woche. Das ist ganz unwichtig. Ich kann wohl eine Woche auf sechshundert Peseten warten.“
„Du bist ein guter Mensch, Rodolfo.“
„Aber ich bin jähzornig. Du weißt, daß ich jähzornig bin.“
„Trotzdem bist du ein guter Mensch.“
Rosita, der nicht bewußt war, daß sie an dem ganzen Problem schuld war, brachte den Kaffee. Während George ihr zusah, wie sie die winzigen Tassen abstellte, wurde ihm klar, daß er sich mit seinem Betrug nur noch mehr Schwierigkeiten aufgehalst hatte. Denn jetzt gab es keinen Grund mehr, Rodolfo um einen zweiten Gefallen zu bitten. Wenn Selina wirklich Georges Tochter war, gab es keinerlei Anlaß dafür, sie im Cala Fuerte-Hotel einzuquartieren.
Es war Pearl, die Selina weckte. Sie war die ganze Nacht draußen gewesen, müde von der Jagd und brauchte einen weichen Platz zum Schlafen. Sie kam über die Terrasse in die Casa Barco, stieg lautlos die Leiter hinauf und sprang auf das Bett. Selina öffnete die Augen und blickte direkt in Pearls weißes Gesicht mit den Schnurrbarthaaren. Pearls Augen waren jadegrün und die Pupillen vor Zufriedenheit zu Schlitzen verengt. Sie trat sanft mit den Pfoten, bis sie sich eine Mulde geschaffen hatte, schmiegte ihren flauschigen Körper an Selinas und schlief sofort ein.
Selina drehte sich auf die andere Seite und tat das gleiche.
Beim zweitenmal wurde sie etwas unsanfter geweckt. „Los, Zeit zum Aufstehen. Es ist elf Uhr. Los, aufwachen.“ Jemand
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