Schlafender Tiger. Großdruck.
sprach kein Wort Englisch. Es dauerte endlos, bis er den Text gelesen und die Worte gezählt hatte, wobei er immer wieder irgendwelche Dienstvorschriften zu Rate zog. Schließlich stempelte er das Formular und verlangte fünfundneunzig Peseten.
George gab ihm das Geld. „Wann wird es in London sein?“ fragte er.
Der Mann blickte auf die Uhr. „Heute abend... vielleicht.“
„Sie werden es doch gleich losschicken?“
Der Mann mit der Warze ließ sich nicht einmal zu einer Antwort herab. „Der nächste, bitte.“
George wußte, daß er sein möglichstes versucht hatte. Er ging nach draußen, zündete sich eine weitere Zigarette an und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Schließlich beschloß er, zum Yachtclub zu gehen, um seine Post abzuholen. Für die kurze Strecke lohnte es sich nicht, ins Auto zu steigen, und so machte er sich zu Fuß auf den Weg.
Die Menschenmassen weckten geradezu klaustrophobische Gefühle in ihm. Er ging mitten auf der Straße, wobei er immer wieder dem brausenden Verkehr auswich. Über ihm auf den kleinen Balkons pulste das Leben. Alte, schwarzgekleidete Frauen saßen dort mit ihren Stickereien und genossen die Frühlingssonne. Kinder schauten durch die schmiedeeisernen Stäbe der Brüstungen, an denen Wäscheleinen wie bunte Feiertagsfahnen kreuz und quer über den Straßen hingen. Über allem lag der typische Duft von San Antonio. Es roch nach Abwässern und Fisch, nach Zedernholz und Ideales-Zigaretten, und der Wind trug die vielen nicht identifizierbaren Gerüche des Hafens herein.
George kam an eine kleine Kreuzung. Er blieb am Straßenrand stehen und wartete darauf, die Straße überqueren zu können. Ein Krüppel verkaufte in einer Bude Lotterielose, und an der Straßenecke bemerkte George ein Geschäft, das gestickte Blusen, Baumwollkleider, Strandhüte, Schuhe und Badeanzüge in der Auslage dekoriert hatte.
George dachte an Selina. Er konnte es kaum erwarten, sie ins nächste Flugzeug nach London zu setzen, um sie endlich loszuwerden, aber ohne etwas zum Aniehen würde sie nicht reisen können. Vielleicht sollte er ihr ein Kleid kaufen. Doch noch während er den Laden betrat, hatte er eine viel lustigere Idee.
„Buenos dias, Senor“, begrüßte ihn eine rothaarige Frau und trat hinter ihrem schmalen Glastresen hervor.
„Buenos dias“, erwiderte George und sagte ihr, was er wollte.
Fünf Minuten später trat er mit einem sorgfältig in rosaweißgestreiftes Papier eingeschlagenen Päckchen unter dem Arm wieder auf die Straße. Er amüsierte sich immer noch königlich, als ihn plötzlich eine durchdringende Autohupe aus seinen Gedanken riß. Fluchend trat er beiseite. Die lange schwarze Kühlerhaube eines Citroen streifte ihn von hinten und hielt neben ihm.
„Nanu“, sagte eine bekannte Stimme. „Sieh mal an, wer sich da in die Stadt verirrt hat.“
Es war Frances. Sie saß in ihrem offenen Wagen und sah sowohl überrascht als auch erfreut aus. Sie trug eine Sonnenbrille, einen Männerstrohhut und ein verblichenes rosa Hemd. „Steig ein“, sagte sie und öffnete die Beifahrertür. „Ich nehme dich ein Stück mit.“
Er setzte sich neben sie. Das Lederpolster war so heiß, daß er das Gefühl hatte, geröstet zu werden, aber kaum hatte er die Tür geschlossen, fuhr Frances schon weiter, wobei sie sich vorsichtig einen Weg durch die Menschenmassen bahnte.
„Ich hatte nicht erwartet, dich so bald wiederzusehen“, sagte sie.
„Ich hatte auch nicht vor herzukommen.“
„Wie lange bist du schon da?“
„Ungefähr eine halbe Stunde. Ich mußte ein Telegramm aufgeben.“
Frances sagte nichts. Eine Gruppe von Fußgängern versperrte ihnen den
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