Schlafender Tiger. Großdruck.
knurrte George und griff nach seinem Rasierapparat.
Er rasierte sich mit äußerster Sorgfalt und nahm sogar etwas von dem Rasierwasser, so selten benutzt, daß die Flasche sich nur unter Schwierigkeiten öffnen ließ.
Oh, sehr hübsch, sagte sein Spiegelbild und trat zurück, um ihn zu bewundern.
„Zufrieden?“ fragte George, und sein Spiegelbild grinste ihn boshaft an.
Der Whisky war bereits auf dem Tisch am Kamin. Selina war in der Küche, wo sie einen Salat in einer großen Schüssel zubereitete.
George nahm das Transistorradio, setzte sich mit dem Rücken zum Kamin auf einen Stuhl und suchte nach passender Musik.
„Da läuft irgendeine Party unten am Hafen“, sagte Selina.
„Man kann den Gesang hören.“
„Ich weiß. Es ist faszinierend, nicht?“
„Es klingt gar nicht wie eine richtige Melodie.“
„Kann es auch nicht. Es ist maurisch.“
Aus dem Transistorradio kam nach Knistern und Krachen endlich einschmeichelnde Gitarrenmusik. George stellte das Radio hin und griff nach seinem Glas.
„Ich hoffe, Ihr Drink ist richtig so“, sagte Selina.
Er probierte ihn. Er war zu stark. „Perfekt“, erwiderte er.
„Ich hoffe nur, daß das Essen auch perfekt ist. Ich hätte bei Maria auch frisches Brot kaufen sollen, aber es schien noch soviel dazusein, deshalb hab ich es gelassen.“
„Juanita ist eine heimliche Brotsüchtige. Sie ißt jeden Tag Brot zum zweiten Frühstück, mit Schafskäse und einem Becher Rotwein. Wie sie dabei wach bleibt, ist mir ein Rätsel.“
Selina kam hinter dem Tresen hervor und stellte die Salatschüssel auf den Tisch. Sie trug sein blau-grün gestreiftes Hemd, das George bisher nie gemocht hatte, und eine perfekt sitzende dunkelblaue Hose mit einem schmalen Lederband als Gürtel.
George hatte vollkommen vergessen, worum es bei ihrem Streit an diesem Morgen überhaupt gegangen war; die ganze lächerliche Angelegenheit war aus seinem Gedächtnis gelöscht. Doch als er Selina so ansah, erkannte er plötzlich, daß sie seinen Gürtel trug. Als sie wieder in die Küche zurückgehen wollte, hielt er sie an dem schmalen Lederband fest. „Woher haben Sie diese Hose?“ fragte er.
Selina, festgehalten wie ein Hundebaby am Schwanz, antwortete: „Es ist Ihre.“
Ihr lässiger Ton war absolut nicht überzeugend.
„Meine?“ Es war tatsächlich seine. Seine allerbeste blaue Hose. Er stellte sein Glas ab und drehte Selina zu sich herum. „Aber sie paßt Ihnen.“ Sie hielt seinem Blick stand. Fast. „Was haben Sie mit meiner besten Hose gemacht?“
„Nun... Als Sie heute morgen weg waren, hatte ich nichts zu tun. Ich hab ein bißchen herumgeräumt, und da fiel mir auf, daß die Hose, die Sie gestern abend anhatten, ganz schmutzig war. Ich meine, da waren Flecken an einem Hosenbein, wie von Soße oder so. Also habe ich sie Juanita gezeigt, und Juanita hat sie für Sie gewaschen. Und dabei ist die Hose eingelaufen.“
Nach dieser unglaublichen Enthüllung hatte sie wenigstens den Anstand, verlegen auszusehen. „Das ist eine verdammte Lüge, das wissen Sie genau“, sagte George. „Diese Hose war gerade aus der Reinigung gekommen, und seit ich aus San Antonio zurück bin, sehen Sie aus wie eine Katze, die gerade eine Maus verspeist hat. Und ich armer Narr glaubte, das läge daran, daß Sie dem armen alten George ein gutes Essen gekocht haben. Doch das ist nicht der Grund, stimmt's?“
„Aber ich hatte überhaupt nichts anzuziehen“, erwiderte Selina schmollend.
„Also haben Sie sich an meiner besten Hose gerächt.“
„Es war keine Rache.“
„Und das nur, weil Sie nicht über sich selbst lachen können.“
„Sie scheinen das auch nicht gerade sehr gut zu können.“
„Das ist etwas ganz
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