Schlafender Tiger. Großdruck.
genauso langweilig, wie es sich geschrieben hatte. Außerdem gibt es bereits Literatur darüber. Über alles gibt es Literatur.“
Frances zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette, dann drückte sie sie sorgfältig im Aschenbecher aus. Ihre Hände waren groß wie die eines Mannes, mit langen, rotlackierten Nägeln. Sie trug ein schweres Goldarmband am Handgelenk, und als sie den Arm bewegte, schlug es geräuschvoll gegen den Holztisch. „Ist es denn wirklich ein solches Unglück?“ fragte sie vorsichtig. „Immerhin hast du ein erfolgreiches Buch geschrieben, und wenn du kein zweites schreiben kannst, dann eben nicht.“
Ein Boot verließ das Hafenbecken des Yachtclubs. Das Rasseln der Schäkel war zu hören, bevor das Segel den Mast hochglitt. Es war einen kurzen Moment schlaff, dann wendete der Junge an der Ruderpinne das Boot, und das Segel flatterte leicht, schüttelte seine Falten aus und blähte sich auf. Das Boot legte sich auf die Seite und gewann an Fahrt, kam noch näher an den Wind und legte sich noch schräger.
„Es gefällt mir nicht, ein Versprechen zu brechen“, sagte George.
„Oh, Liebling, du klingst, als ob es etwas Persönliches wäre.“
„Ist es das denn nicht?“
„Nein, es ist ein reines Geschäft.“
„Würdest du ein geschäftliches Versprechen einfach so brechen?“
„Natürlich nicht. Aber Schreiben ist nicht das gleiche wie Aktien verkaufen oder wie Buchhaltung. Es ist kreativ und funktioniert nach anderen Regeln. Wenn du eine Schreibhemmung hast, kannst du nichts dagegen tun.“
„Eine Schreibhemmung“, wiederholte George bitter. „Nennt man das so?“
Beschwichtigend legte sie ihm die Hand auf den Arm, die schwer war vom Gewicht des Goldarmbands. „Warum vergißt du die ganze Sache nicht? Schreib diesem Mr...“, Sie warf einen Blick auf die Unterschrift am Ende des Briefes, „... Mr. Rutland und sage ihm, in Ordnung, wenn Sie so denken, zum Teufel mit weiteren Büchern.“
„Du glaubst wirklich, daß ich das tun könnte, nicht wahr? Und was dann?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Nun...“ Sie zögerte. „Es gibt andere schöne Dinge im Leben“, sagte sie gedehnt.
„Und zwar?“
„In zwei Wochen ist Ostern.“ Sie nahm das Messer wieder in die Hand und begann die Muster der Holzmaserung auf dem Tisch mit der Spitze nachzuziehen. „Ich bin zur Corrida am Ostersonntag in Málaga eingeladen. Ich habe Freunde dort, Amerikaner. Sie sind große aficionados. In Málaga bekommst du die besten Stiere und die besten Toreros von ganz Spanien zu sehen. Und es wird Tag und Nacht gefeiert.“
„Klingt wie der Traum eines Reiseveranstalters.“
„Liebling, laß deine schlechte Laune nicht an mir aus. Ich habe den Brief nicht geschrieben, sondern nur gelesen.“
„Ich weiß, entschuldige.“
„Willst du nicht mit mir kommen? Nach Malaga?“ George rief den Kellner, der in der Nähe gewartet hatte, und zahlte die Getränke. Als der Junge die Gläser abräumte, gab ihm George ein Trinkgeld und nahm seine Mütze, das rosa-weiß gestreifte Päckchen und die beiden Briefe.
„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet“, sagte Frances.
Er stand auf. „Ich glaube, du hast vergessen, daß ich noch nie ein aficionado war. Beim Anblick von Blut falle ich in Ohnmacht.“
„Ich hätte dich aber gern bei mir“, sagte sie mit einer Kleinmädchenstimme.
„Ich würde nur alles verderben.“
Sie blickte zur Seite, um ihre Enttäuschung zu verbergen, und fragte: „Wohin gehst du jetzt?“
„Ich fahre nach Cala Fuerte zurück.“
„Kannst du nicht hierbleiben?“
„Nein, ich muß nach Hause.“
„Erzähl mir nicht, daß du schon wieder deine Katze füttern mußt.“
„Ich habe noch mehr zu füttern als nur die Katze.“ Er berührte kurz ihre Schulter. „Danke fürs
Weitere Kostenlose Bücher