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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Brüs­tung lehn­te, sah er die dün­ne Gold­ket­te, die sie um den Hals trug und an der zwei­fel­los ein Me­dail­lon aus ih­rer Kind­heit oder ein gol­de­nes Kon­fir­ma­ti­ons­kreuz hing. Er hat­te das Wort „Un­schuld“ nie ge­mocht, weil er da­mit di­cke, ro­si­ge Ba­bies ver­band und Glanz­post­kar­ten von nied­li­chen Kätz­chen; aber jetzt fiel es ihm un­ver­mit­telt ein.
    Se­li­na be­ob­ach­te­te Pearl, die auf ei­nem klei­nen son­ni­gen Fleck auf dem An­le­ger ih­re Mor­gen­toi­let­te vor­nahm. Ab und zu, wenn ein Fisch in dem fla­chen Was­ser vor­bei­schoß, hör­te Pearl auf, sich zu put­zen, und blieb reg­los sit­zen, das Hin­ter­bein steil auf­ge­rich­tet wie einen La­ter­nen­pfahl, um gleich dar­auf ih­re Mor­gen­toi­let­te fort­zu­set­zen.
    „An dem Tag, als To­meu uns in die Ca­sa Bar­co brach­te“, sag­te Se­li­na, „wa­ren da un­ten zwei Fi­scher, die Fi­sche säu­ber­ten. To­meu hat mit ih­nen ge­spro­chen.“
    „Das war Rafa­el, To­meus Cou­sin“, er­wi­der­te Ge­or­ge. „Er hat sein Boot in dem Boots­haus ne­ben mei­nem.“
    „Sind denn al­le Dorf­be­woh­ner mit­ein­an­der ver­wandt?“
    „Mehr oder we­ni­ger. Jua­ni­ta hat Ih­nen ein Ge­schenk mit­ge­bracht.“
    Sie wand­te ihm ihr Ge­sicht zu. „Wirk­lich? Was ist es?“
    „Se­hen Sie selbst.“
    „Ich ha­be ihr schon gu­ten Mor­gen ge­sagt, aber sie hat nichts von ei­nem Ge­schenk er­wähnt.“ Sie ver­schwand im Haus. Man hör­te Ge­mur­mel, und schließ­lich kehr­te Se­li­na mit dem Korb zu­rück, von dem in­zwi­schen das Tuch ab­ge­nom­men wor­den war.
    „Oran­gen.“
    „Las naran­jas“, über­setz­te Ge­or­ge.
    „So nennt man sie? Ich glau­be, Jua­ni­ta hat ge­sagt, sie sei­en von Ma­ria.“
    „Ma­ri­as Mann hat sie selbst an­ge­baut.“
    „Was für ein net­tes Ge­schenk.“
    „Sie müs­sen zu ihr ge­hen und sich be­dan­ken.“
    „Das kann ich nicht, be­vor ich nicht Spa­nisch ge­lernt ha­be. Wie lan­ge hat es ge­dau­ert, bis Sie es konn­ten?“
    Er zuck­te mit den Schul­tern. „Vier Mo­na­te. Ich ha­be es erst hier ge­lernt. Vor­her ha­be ich kein ein­zi­ges Wort ge­spro­chen.“
    „Aber Fran­zö­sisch.“
    „O ja. Und et­was Ita­lie­nisch. Das war ei­ne große Hil­fe.“
    „Ich muß ver­su­chen, we­nigs­tens ein paar Wor­te zu ler­nen.“
    „Ich ha­be ei­ne Gram­ma­tik da, die ich Ih­nen gern lei­he, da­mit kön­nen Sie au­ßer­dem ein paar Ver­ben pau­ken.“
    „Ich weiß doch schon, daß bue­nos di­as gu­ten Mor­gen heißt...“
    „ Und buen­as tar­des gu­ten Tag und buen­as no­ches gu­ten Abend.“
    „Und si. Das ken­ne ich auch. Si heißt ja.“
    „Und no heißt nein, ein Wort, das ein jun­ges Mäd­chen viel eher ken­nen soll­te.“
    „So­gar ich mit mei­nem Spat­zen­hirn kann mir das mer­ken.“
    „Oh, da wä­re ich nicht so si­cher.“
    Jua­ni­ta kam mit dem Früh­stück­sta­blett auf die Ter­ras­se und be­gann den Tisch zu de­cken. Ge­or­ge er­zähl­te ihr, die Seño­ri­ta ha­be sich über Ma­ri­as Ge­schenk sehr ge­freut, und sie wür­de spä­ter ganz be­stimmt ins Dorf ge­hen, um sich per­sön­lich bei Ma­ria zu be­dan­ken. Jua­ni­ta strahl­te mehr denn je, warf den Kopf zu­rück und trug das Ta­blett wie­der in die Kü­che.
    Se­li­na nahm sich ei­ne En­sai­ma­da und sag­te: „Was ist das?“
    Er sag­te es ihr. „Der Bä­cker von San Es­te­ban backt sie, und Jua­ni­ta bringt mir je­den Mor­gen fri­sche zum Früh­stück mit.“
    „En­sai­ma­das“, wie­der­hol­te Se­li­na und biß in das wei­che, mit Zu­cker be­streu­te Blät­ter­teig­ge­bäck. „Ar­bei­tet Jua­ni­ta auch noch für je­mand an­de­ren oder nur für Sie?“
    „Sie ar­bei­tet für ih­ren Mann und ih­re Kin­der. Auf den Fel­dern und im Haus. Sie hat in ih­rem gan­zen Le­ben im­mer nur ge­ar­bei­tet. Ge­ar­bei­tet, ge­hei­ra­tet, die Kir­che be­sucht und Ba­bies ge­kriegt.“
    „Sie scheint so zu­frie­den zu sein, fin­den Sie nicht? Sie lä­chelt im­mer.“
    „Sie hat die kür­zes­ten Bei­ne der Welt, ist Ih­nen das schon auf­ge­fal­len?“ frag­te Ge­or­ge.
    „Aber kur­ze Bei­ne zu ha­ben hat doch nichts da­mit zu tun, wie zu­frie­den man ist“, wi­der­sprach

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