Schlafender Tiger. Großdruck.
Mitnehmen.“
Während George nach Cala Fuerte zurückfuhr, brach die Dämmerung herein. Wenn die Sonne erst einmal untergegangen war, wurde es empfindlich kühl, und George hielt in der Nähe eines einsamen Bauernhauses an und griff nach dem Pullover, der auf dem Rücksitz lag. Als er ihn sich über den Kopf gestreift hatte, sah er, wie die Bauersfrau aus dem Haus kam, um Wasser vom Brunnen zu holen. Aus der offenen Tür strömte gelbes Licht, und George erkannte nur ihre dunkle Silhouette. Er rief Buenas tardes, worauf sie zu ihm kam und ein wenig mit ihm plauderte, den Wasserkrug auf den Hüften.
Da er Durst hatte, trank er dankbar das Wasser, das sie ihm anbot. Dann fuhr er weiter, und die Scheinwerfer bohrten sich in die saphirblaue Dämmerung. Die ersten Sterne blinkten am Himmel. San Esteban war ein Lichtermeer im Schatten der Berge, und als George die Straße nach Cala Fuerte hinunterkam, wehte der Seewind den frischen harzigen Duft der Pinien herüber.
Seltsamerweise hob dieses Gefühl, nach Hause zu kommen, noch jedesmal seine Stimmung. Er spürte eine große Erleichterung, und erst jetzt wurde ihm klar, wie deprimiert er den ganzen Tag über gewesen war. Nichts hatte so recht geklappt. Der Brief von Mr. Rutland hatte ihm ein noch schlechteres Gewissen bereitet, und der Gedanke an Miss Queen's Gate war auch nicht gerade angenehm gewesen. Wie sie wohl den Tag verbracht hatte? Nicht daß es ihn wirklich interessiert hätte, aber während er die letzte Kurve der Straße zur Casa Barco hinabfuhr, hoffte er trotzdem, daß sie ihm nicht länger böse war.
Er fuhr den Wagen in die Garage, schaltete den Motor aus und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Er stieg aus und betrat die Casa Barco. Es schien niemand dazusein, auch wenn das Haus zweifellos den Eindruck erweckte, als hätte sich jemand besondere Mühe gegeben. Das Feuer brannte, die Lampen verbreiteten anheimelndes Licht, und der niedrige Couchtisch vor dem Kamin war gedeckt mit einer blau-weißen Decke, von der George nicht einmal gewußt hatte, daß er sie besaß, sowie Besteck und Gläsern. In einer Vase stand ein Blumenstrauß, und es duftete köstlich nach Essen.
George legte seine Mütze hin und ging leise auf die Terrasse, doch dort war es dunkel, und es war keine Spur von Selina zu sehen. Er beugte sich über die Brüstung, aber auch der Anleger war menschenleer. Man hörte lediglich das sanfte Plätschern des Wassers und das Knarren des Dinghis, das an seiner Vertäuung zog. Da erklangen plötzlich aus einem der Hafencafes die warmen Töne einer Gitarre, und eine Frau begann zu singen, in dem eigenartigen Zweitongesang, den die Mauren der Insel hinterlassen hatten.
George runzelte verwirrt die Stirn und ging ins Haus zurück. Die Galerie lag im Dunkeln, nur in der Küche brannte Licht, und als er sich über den Tresen lehnte, entdeckte er überrascht Selina, die vor der offenen Ofentür kniete und mit großer Konzentration irgend etwas Eßbares in einer Kasserolle begoß.
„Guten Abend“, sagte er.
Selina blickte auf. Er hatte sie nicht erschreckt, und ihm wurde klar, sie hatte die ganze Zeit gewußt, daß er da war. Irgendwie ärgerte ihn diese Erkenntnis. Sie schien dadurch im Vorteil zu sein.
„Hallo“, begrüßte sie ihn.
„Was tun Sie da?“
„Ich koche das Abendessen.“
„Riecht gut.“
„Ich hoffe, es schmeckt auch gut. Ich bin keine große Köchin.“
„Was ist es?“
„Steaks und Zwiebeln und Paprika und so.“
„Ich dachte, wir hätten gar nichts Eßbares im Hause.“
„Hatten wir auch nicht. Ich war bei Maria und habe eingekauft.“
„Tatsächlich?“ Er war beeindruckt. „Aber Maria spricht kein Englisch.“
„Nein, ich weiß. Ich habe ein Wörterbuch in Ihrem
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