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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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hier?“
    „Ich war im Bett und hab ge­schla­fen.“
    „Jetzt schla­fen Sie aber nicht mehr. Zie­hen Sie sich et­was an und kom­men Sie her­un­ter.“
    Einen Au­gen­blick spä­ter kam sie bar­fuß die Stu­fen her­un­ter, wo­bei sie den Gür­tel ei­nes lä­cher­li­chen wei­ßen Sei­den­mor­gen-man­tels zu­band, der zum Nacht­hemd paß­te.
    Er run­zel­te die Stirn. „Wo­her ha­ben Sie das?“
    „Mein Kof­fer ist an­ge­kom­men. Aus Ma­drid.“ Sie lä­chel­te, als müß­te er sich dar­über freu­en.
    „Al­so sind Sie we­nigs­tens bis zum Flug­ha­fen ge­kom­men?“
    „Ja.“
    „Und was ist dies­mal pas­siert? Wur­de der Flug ge­stri­chen? Gab es kei­nen Platz mehr in der Ma­schi­ne? Hat­te Pe­pe ei­ne Pan­ne?“
    „Nein, nichts der­glei­chen.“ Sie hat­te die Au­gen so weit auf­ge­ris­sen, daß das Blau ganz und gar von Weiß ein­ge­rahmt war. „Ich ha­be mei­nen Paß ver­lo­ren.“
    „Sie ha­ben was?“
    „Ja, es war äu­ßerst selt­sam. Be­vor ich fuhr, ha­ben Sie mich doch noch ge­fragt, ob ich mei­nen Paß hät­te. Nun, da war er in mei­ner Hand­ta­sche, und ich kann mich nicht er­in­nern, daß ich sie ir­gend­wann ge­öff­net hät­te, aber als ich am Flug­ha­fen war und mein Ticket kau­fen woll­te, war er nicht mehr da.“
    Sie ver­such­te, von sei­nem Ge­sicht ab­zu­le­sen, wie Ge­or­ge die Neu­ig­keit auf­nahm. Er lehn­te sich mit un­be­weg­li­cher Mie­ne ge­gen das So­fa.
    „Ver­ste­he. Und was ta­ten Sie da?“
    „Nun, ich er­zähl­te es na­tür­lich der Gu­ar­dia Ci­vil.“
    „Und was sag­te die Gu­ar­dia Ci­vil da­zu?“
    „Oh, sie wa­ren sehr nett und ver­ständ­nis­voll. Und dann dach­te ich, ich kom­me lie­ber hier­her zu­rück und war­te, bis sie ihn ge­fun­den ha­ben.“
    „Wer ist 'sie'?“
    „Die Gu­ar­dia Ci­vil.“
    Sie schwie­gen und sa­hen ein­an­der an. Dann sag­te Ge­or­ge:„Se­li­na.“
    „Ja?“
    „Wis­sen Sie, was die Gu­ar­dia Ci­vil mit Leu­ten macht, die ih­ren Paß ver­lo­ren ha­ben? Sie wer­fen sie ins Ge­fäng­nis. Sie sper­ren sie als po­li­ti­sche Ge­fan­ge­ne ein. Sie las­sen sie in Zel­len ver­rot­ten, bis sich der Paß wie­der an­ge­fun­den hat.“
    „Nun, mit mir ha­ben sie das nicht ge­macht.“
    „Sie lü­gen, nicht wahr? Wo ha­ben Sie Ih­ren Paß hin­ge­tan?“
    „Ich weiß es nicht. Ich ha­be ihn ver­lo­ren.“
    „Ha­ben Sie ihn in Pe­pes Au­to ge­las­sen?“
    „Ich ha­be es Ih­nen doch schon ge­sagt, er ist weg.“
    „Hör mal, Ju­ni­or, in Spa­ni­en spielt man mit Päs­sen kei­ne Spiel­chen.“
    „Ich spie­le kein Spiel­chen.“
    „Ha­ben Sie Pe­pe von dem Paß er­zählt?“
    „Ich kann kein Spa­nisch, wie soll­te ich ihm da­von er­zäh­len?“
    „Sie ha­ben sich ein­fach von ihm zu­rück­brin­gen las­sen?“ Sie sah et­was be­un­ru­higt aus, sag­te aber nur tap­fer: „Ja.“
    „Wann sind Sie wie­der hier ge­we­sen?“
    „Un­ge­fähr um elf.“
    „Sind Sie auf­ge­wacht, als wir her­ein­ka­men?“ Sie nick­te.
    „Dann ha­ben Sie al­so un­ser Ge­spräch mit­be­kom­men?“
    „Nun, ich ha­be ver­sucht, mei­nen Kopf un­ter die De­cke zu ste­cken, aber Mrs. Don­gen hat ei­ne äu­ßerst durch­drin­gen­de Stim­me. Es tut mir leid, daß sie mich nicht mag.“ Da­zu gab es nichts zu sa­gen, und sie fuhr in ei­nem Plau­der­ton fort, der ih­rer Groß­mut­ter al­le Eh­re ge­macht hät­te: „Wer­den Sie sie hei­ra­ten?“
    „Wis­sen Sie was? Sie ma­chen mich krank.“
    „Ist sie schon ver­hei­ra­tet?“
    „Nicht mehr.“
    „Was ist mit ih­rem Mann pas­siert?“
    „Ich weiß es nicht... Wo­her soll­te ich auch? Viel­leicht ist er tot.“
    „Hat sie ihn um­ge­bracht?“
    Er schi­en plötz­lich kei­ne Kon­trol­le mehr über sei­ne Hän­de zu ha­ben. Sie zuck­ten förm­lich vor Ver­lan­gen, Se­li­na zu schüt­teln und die­sen selbst­ge­fäl­li­gen Aus­druck aus ih­rem Ge­sicht zu schla­gen. Er steck­te die Hän­de in die Ho­sen­ta­schen und ball­te sie zu Fä­us­ten, doch Se­li­na schi­en von dem Auf­ruhr, der in sei­nem In­nern tob­te, nichts zu ah­nen.
    „Ich neh­me an, es war ziem­lich är­ger­lich für Sie, mich hier vor­zu­fin­den, aber sie woll­te ja nicht blei­ben, um sich die Sa­che er­klä­ren zu las­sen.

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