Schlafender Tiger. Großdruck.
gab nach, denn das war einfacher und kostete weniger Mühe, als sich zu streiten. Die Nacht war warm und sternenklar. Der Citroen stand mitten auf dem Dorfplatz, und als sie hinübergingen, ließ Frances die Autoschlüssel in Georges Hand gleiten und sagte: „Du fährst.“
Sie war durchaus noch in der Lage, selbst zu fahren, doch ab und zu gefiel es ihr, das hilflose Frauchen zu spielen, also nahm George die Schlüssel und setzte sich hinter das Steuerrad.
Während sein lächerliches kleines Auto mit den gelben Rädern lediglich ein Mittel war, um sich auf der Insel fortzubewegen, fand George, daß Frances' schneller Citroen mit seinem starken Motor wie eine ziemlich erotische Ergänzung ihrer eigenen Persönlichkeit wirkte. Sie saß jetzt neben ihm, ihr Gesicht den Sternen zugewandt, ihr braunes Dekollet von dem tiefen Ausschnitt ihrer Bluse eingerahmt. Er wußte, sie wartete darauf, daß er sie küßte, doch er zündete sich statt dessen eine Zigarette an.
„Warum küßt du mich nicht?“ fragte sie.
„Ich kann dich nicht küssen. Wer weiß, wo du dich herumgetrieben hast“, erwiderte George.
„Warum mußt du alles ins Lächerliche ziehen?“
„Ein Teil meiner britischen Abwehrstrategien.“
Sie sah auf ihre Uhr. „Es ist gerade eins. Glaubst du, sie ist inzwischen in London angekommen?“
„Ich nehme es an.“
„Queen's Gate. Nicht gerade unsere Gegend, Liebling.“
Er begann leise eine Melodie zu pfeifen, die ihn im Unterbewußtsein den ganzen Abend nicht losgelassen hatte.
„Du machst dir doch keine Sorgen ihretwegen, oder?“ fragte Frances.
„Nein. Ich hätte sie allerdings selbst zum Flughafen bringen sollen, anstatt sie mit Pepe in dieser Nähmaschine auf Rädern fahren zu lassen, die er ein Auto nennt.“
„Sie wollte nicht, daß du sie hinbringst. Sie hätte dir die ganze Zeit was vorgeheult und euch beide in eine peinliche Situation gebracht.“ Er erwiderte darauf nichts, und sie lachte. „Du bist wie ein sturer Bär, der sich nicht ködern läßt.“
„Ich bin zu betrunken, um mich ködern zu lassen.“
„Laß uns nach Hause fahren.“
Die ganze Fahrt zurück pfiff er diese verdammte Melodie. Als sie vor der Casa Barco ankamen und George den Motor abstellte, stieg Frances aus. Als wäre es von Anfang an so geplant gewesen, ging sie mit ihm hinein. Im Haus war es angenehm kühl und dunkel. George schaltete die Lichter ein und ging in die Küche, um sich einen Drink einzuschenken, denn ohne einen Drink wäre er gestorben oder ins Bett gegangen und in Tränen ausgebrochen, und weder das eine noch das andere hätte er gern in Frances' Gegenwart getan.
Sie ließ sich aufs Sofa fallen, als wäre sie hier zu Hause, einen Arm um die Knie geschlungen, den Lockenkopf auf ein himmelblaues Kissen gestützt. Er hatte offenbar Probleme, ihre Drinks zuzubereiten, denn erst fiel ihm der Öffner herunter, und dann schüttete er die Eiswürfel daneben.
„Das ist eine schreckliche Melodie, die du da pfeifst“, sagte Frances. „Kennst du keine andere?“
„Ich kenn ja diese nicht mal richtig.“
„Nun, hör trotzdem auf damit.“
Sein Kopf hämmerte, überall schienen sich Sturzbäche von Wasser und geschmolzenem Eis zu ergießen, und er konnte absolut nichts finden, um sie aufzuwischen. Er nahm die Drinks und trug sie zu Frances hinüber. Sie griff nach ihrem Glas, ohne ihn eine Sekunde aus den Augen zu lassen, während er sich auf die Kaminsohle setzte und sein Glas mit beiden Händen umschloß.
„Weißt du was, Liebling?“ sagte Frances unbeschwert. „Du bist böse auf mich.“
„Bin ich das?“
„Und wie.“
„Warum?“
„Weil ich deine kleine Freundin weggeschickt habe. Und weil du tief in deinem Herzen weißt, daß du es selbst hättest tun müssen.
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