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Schlafender Tiger. Großdruck.

Schlafender Tiger. Großdruck.

Titel: Schlafender Tiger. Großdruck. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Sie hat nur die ar­me Pearl ge­tre­ten... Es wä­re viel fai­rer ge­we­sen, statt des­sen mich zu tre­ten.“ Sie sah Ge­or­ge di­rekt in die Au­gen. Ih­re Un­ver­fro­ren­heit war ein­fach nicht zu fas­sen. „Sie muß Sie sehr gut ken­nen. Um so mit Ih­nen zu re­den, mei­ne ich. So wie heu­te abend. Sie woll­te, daß Sie mit ihr schla­fen.“
    „Sie wol­len un­be­dingt Är­ger krie­gen, Se­li­na.“
    „Au­ßer­dem scheint sie zu glau­ben, daß Sie nie wie­der ein Buch schrei­ben wer­den.“
    „Da mag sie nicht ganz un­recht ha­ben.“
    „Wol­len Sie es denn nicht we­nigs­tens ver­su­chen?“
    „Küm­mern Sie sich um Ih­re ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten“, sag­te Ge­or­ge lang­sam und dro­hend, doch selbst das schreck­te sie nicht ab.
    „Mir scheint, Sie ha­ben Angst zu ver­sa­gen, be­vor Sie auch nur an­ge­fan­gen ha­ben. Mrs. Don­gen hat­te recht, Sie sind aus dem­sel­ben Holz ge­schnitzt wie die­se trä­gen Exil-Eng­län­der“, fuhr Se­li­na fort, wo­bei sie Fran­ces' schlep­pen­den Ton­fall über­ra­schend ge­konnt imi­tier­te, „die dem Nichtstun so ele­gant frö­nen. Ver­mut­lich wä­re es ein Jam­mer, die­ses Image zu zer­stö­ren. Und au­ßer­dem, was macht es schon? Sie brau­chen nicht zu schrei­ben. Es ist ja nicht Ihr Le­bens­un­ter­halt. Und was Mr. Rut­land be­trifft, was ist schon da­bei, ein Ver­spre­chen nicht ein­zu­hal­ten? Es ist voll­kom­men gleich­gül­tig. Sie kön­nen ihm ge­gen­über Ihr Wort ge­nau­so bre­chen, wie Sie es die­sem Mäd­chen ge­gen­über ge­tan ha­ben, daß Sie hei­ra­ten woll­ten.“
    Be­vor er nach­den­ken oder sich auch nur be­herr­schen konn­te, hat­te Ge­or­ge sei­ne Hand aus der Ho­sen­ta­sche ge­nom­men und Se­li­na ei­ne Ohr­fei­ge ge­ge­ben. Es klang, als sei ei­ne Pa­pier­tü­te ex­plo­diert. Das Schwei­gen, das dar­auf folg­te, leg­te sich blei­ern über den Raum. Se­li­na starr­te Ge­or­ge un­gläu­big, doch er­staun­li­cher­wei­se über­haupt nicht vor­wurfs­voll an, wäh­rend er sich die schmer­zen­de Hand­flä­che rieb. Als er sich ei­ne Zi­ga­ret­te an­steck­te, stell­te er er­schro­cken fest, daß sei­ne Hän­de zit­ter­ten.
    Schließ­lich dreh­te er sich wie­der zu Se­li­na um und sah zu sei­nem Ent­set­zen, daß sie ver­zwei­felt mit den Trä­nen kämpf­te. Der Ge­dan­ke an Wein­krämp­fe, an die an­schlie­ßen­den Vor­wür­fe und Ent­schul­di­gun­gen war mehr, als er er­tra­gen konn­te. Au­ßer­dem war es zu spät für Ent­schul­di­gun­gen. „Nun ver­schwin­den Sie schon“, knurr­te er. Als sie die Trep­pen hin­auf­lief, wo­bei sich die wei­ße Sei­de des Mor­gen­man­tels um ih­re blo­ßen Bei­ne bausch­te, rief er hin­ter ihr her: „Aber ma­chen Sie die Tür ge­fäl­ligst lei­se zu !“ Doch der Witz war schal und ging ins Lee­re, wie er es ver­di­en­te.

11
     
     
     
     
     

    E s war schon spät, als er auf­wach­te. Er er­kann­te es am Win­kel der Son­nen­strah­len und an den lei­sen Ge­räuschen, die ihm sag­ten, daß Jua­ni­ta die Ter­ras­se feg­te. In­stink­tiv wapp­ne­te er sich ge­gen den Ka­ter, der ihn an die­sem Mor­gen mit Si­cher­heit nicht ver­scho­nen wür­de, und griff nach sei­ner Uhr. Es war halb elf. So lan­ge hat­te er seit Jah­ren nicht mehr ge­schla­fen.
    Vor­sich­tig be­weg­te er den Kopf von ei­ner Sei­te zur an­de­ren und war­te­te auf das ers­te An­zei­chen sei­ner wohl­ver­di­en­ten Qua­len. Nichts ge­sch­ah. Mu­ti­ger ge­wor­den, roll­te er mit den Au­gen, und der Schmerz blieb aus. Er schlug die rot-wei­ße De­cke zur Sei­te und setz­te sich vor­sich­tig auf. Es war ein Wun­der. Er fühl­te sich fast nor­mal, ei­gent­lich so­gar bes­ser, wach und vol­ler Ener­gie.
    Er hob sei­ne Sa­chen auf und ging ins Bad, um zu du­schen. Beim Ra­sie­ren fiel ihm die Me­lo­die der letz­ten Nacht wie­der ein, aber die­ses Mal mit dem Text, und ihm wur­de, wenn auch zu spät, klar, warum Fran­ces so wü­tend ge­we­sen war, als er sie dau­ernd vor sich hin­pfiff.
     
    I've grown ac­cu­sto­med to her face
    She al­most ma­kes the day be­gin.
     
    Nun, frag­te er mit ei­nem ein­fäl­ti­gen Grin­sen sein Spie­gel­bild, wie sen­ti­men­tal willst du ei­gent­lich noch

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