Schlaflos in Tofuwuerstchen
mich. Noch immer.
Kapitel 6 : Natürlich das rote
"Nicht dein Ernst!"
"Wenn ich es dir doch sage."
Julias Stimme ist am Telefon noch lauter als sonst. Sie scheint über den Kuss beinahe aufgebrachter zu sein als ich.
"Aber wie konnte es dazu kommen? Ich meine, wo war die Andere?"
"Clara", merke ich an.
"Ja ja, Clara. Ich weiß, wie sie heißt. Aber welche Rolle spielt ihr Name, wenn sie eh bald wieder Geschichte sein wird?"
"Sie war im Wohnzimmer", sage ich. "Er ist nur kurz nach draußen gekommen."
"Im Wohnzimmer?" Julia ist irritiert.
"Ja, im Wohnzimmer", wiederhole ich.
"Aber dann hätte sie doch jederzeit nach draußen kommen und euch erwischen können."
"Na ja, es war ja nur ein kurzer Kuss."
"Ist doch egal, wie lang er war. Fakt ist, dass ihr euch geküsst habt und er für einen Moment tatsächlich vergessen hat, dass sie euch stören könnte."
"Das schlechte Gewissen hat ihn dann aber sehr schnell wieder eingeholt. Er ist ja schon im nächsten Moment wieder zurück ins Haus."
"Weil er durcheinander war. Verwirrt. Ich meine, man küsst seine Ex ja nicht alle Tage, oder? Aber für einen kurzen Augenblick hat er alles um sich herum vergessen. Und woran lag das?"
"Keine Ahnung", murmele ich.
"Na an dir, Dummerchen." Julia lacht ihr typisches Lachen. Sie liebt es, mich mit der Nase auf Dinge zu stoßen. Diesmal fällt es mir allerdings schwerer als sonst, ihr zu glauben. Vielleicht weil ich es zu gerne glauben möchte.
"Vielleicht für einen Moment, Julia. Aber was nützt es mir, wenn ich ihn nicht allein zu fassen kriege?"
"Wo ist er denn jetzt?"
"Unten im Wohnzimmer. Mit Clara ."
"Na ja. Dann kriegst du ihn vielleicht nur heute nicht in die Finger. Aber morgen, wenn sie in der Redaktion ist…"
"Hör auf, Julia!"
"Was denn?"
"Du weißt ganz genau, dass es nicht so einfach ist."
"Warum sollte es das nicht sein? Sie hat ihn dir weggenommen und jetzt nimmst du ihn ihr weg. Ganz einfach."
"Ganz einfach? Ich weiß nicht. Wenn es so einfach wäre, wie du sagst, hätte ich ihn schon längst zurück gewonnen, meinst du nicht?"
"Schätzchen." Ich hasse es, wenn sie mich so nennt. "Du darfst eines nicht vergessen: Du bist hier die Betrogene. Das Opfer. Die Verlassene. Und somit liegt alles Recht der Welt auf deiner Seite. Alles, was du anstrebst, ist die Wiederherstellung der Ursprungssituation. Ich hätte zwar nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber vermutlich gehört dieser merkwürdige Typ tatsächlich zu dir. Und dieser Ausflug in jüngere Gefilde war lediglich ein Ausrutscher von ihm, der euch nun umso deutlicher machen soll, dass ihr einfach füreinander bestimmt seid."
Ihre Worte bringen mich zum Lächeln. Füreinander bestimmt. Wer, wenn nicht Peter und ich?
"Vielleicht hast du recht", sage ich.
"Natürlich habe ich recht. Du wirst schon sehen. Im Handumdrehen liegt er wieder neben dir in heimischen Federn und dieses Praktikantinnenetwas bleibt nur eine blasse Ritze im Bettpfosten. Nichts weiter."
"Wie du das immer sagst."
"Tu nicht so anständig, Eve. Du weißt, dass du das schaffen kannst. Denk an deine Weiblichkeit. Es ist Zeit, die Waffen einer Frau einzusetzen. Die Andere mag vielleicht ein wenig dürrer sein, blond und ein Naturtalent in bedingungsloser Bewunderung des männlichen Nichtskönnens, aber in einem bist du ihr weit voraus: Du hast Köpfchen." Ich höre sie durchs Telefon lächeln. "Zumindest, wenn du willst."
"Meinst du wirklich, dass ich das hinbekomme?"
"Ich weiß es, Süße. Gleich morgen ziehst du dir das rote Top an…"
"Nicht das rote", unterbreche ich erschrocken.
"Natürlich das rote. Männer werden verrückt, wenn Frauen Rot tragen. Das solltest inzwischen auch du gemerkt haben."
"Ich habe es noch nie getragen und nur weil du es mir in die Tasche gepackt hast, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch anziehe."
"Ganz genau das heißt es. Du willst ihn doch zurück, oder?"
"Ja, natürlich, aber…"
"Dann gibt es kein Aber, sondern nur Rot. Und bitte tu mir den Gefallen und steck deine Haare nicht wieder zu diesem fürchterlichen Dutt zusammen. Es würde mich nicht wundern, wenn das einer der Gründe war, weswegen Peter dich verlassen hat."
Niemand sonst dürfte so mit mir reden.
"Aber echt das rote Top?"
"Auf jeden Fall das rote Top. Vertrau mir. Und die Haare lässt du diesmal offen. Du siehst super aus, wenn du sie offen trägst."
Sie hat recht. Rot ist die Signalfarbe schlechthin. Mit dem Taschenspiegel und meinem
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