Schlaflos in Tofuwuerstchen
uns vorbei ist, wie du sagst?"
"Was soll mit gestern sein?"
"Was mit gestern sein soll?" Ich werde lauter. "Wir haben uns geküsst, Peter. Geküsst!"
Er schaut sich nervös um, als hätte er Angst, jemand könnte meine Worte hören.
"Es war ein Kuss, ja", stammelt er. "Ein Kuss unter Freunden."
"So küsst du also deine Freunde, ja?"
"Du weißt, dass du mir viel bedeutest, Eve. Aber wenn ich gewusst hätte, was diese Geste bei dir auslöst, hätte ich das niemals zugelassen. Ich habe gedacht, dass dir klar ist, dass dieser Kuss einfach nur zeigen soll, dass du mir noch immer wichtig bist. Als gute Freundin."
Ich kann mir ein abfälliges Lachen nicht verkneifen. "So. Eine gute Freundin also. Ich sag dir, was du dir gedacht hast. Gar nichts. Du hast einfach nur gefühlt, Peter. Du hast gefühlt, dass da noch immer was zwischen uns ist. Deshalb hast du mich geküsst. Das war etwas, das du nicht geplant hast. Das dich einfach überrannt hat. Genau wie mich. Also tu jetzt bitte nicht so, als würde eine Taktik hinter dem Kuss stehen, die du vorher genau durchdacht hast. Als hättest du mir diesen Kuss aus Mitleid gegeben. Oder weil wir so gute Freunde sind. Männer und Frauen werden nicht einfach so zu Freunden. Schon gar nicht, wenn sie vorher Sex miteinander hatten."
"Sex", murmelt er leise.
"Ja. Sex. Du erinnerst dich? Der letzte zwischen uns ist ungefähr zwei Monate her. Und ich hab mich damals noch gewundert, warum du mir immer seltener an die Wäsche willst. Wahrscheinlich hast du es da schon längst mit ihr im Kopierraum der Redaktion getrieben."
"Mach dich nicht lächerlich, Eve."
"Ich mache mich lächerlich, wo und wann ich es möchte."
"Lass uns keine große Sache draus machen. Wir haben uns unterhalten, haben gemeinsame Erinnerungen ausgetauscht, sind sentimental geworden. Da ist es halt passiert. Ein Kuss unter ..."
"Fang nicht schon wieder mit deinem Kuss unter Freunden an. Ich kann es nicht mehr hören!"
"Was willst du dann hören?"
Ich springe vom Stuhl auf. "Wie wäre es zur Abwechslung mit der Wahrheit?"
"Die Wahrheit?"
"Ja, Peter, die Wahrheit." Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. "Sei endlich ein Mann und steh zu den Dingen, die du tust. Seit dem Unfall bist du wie ausgewechselt, fragst mich ständig, wie es mir geht, holst mich zu dir in die Wohnung. Nimmst dir sogar frei für mich. Und gestern dann der Kuss. Ich meine, das kannst du doch nicht einfach verleugnen."
"Ich verleugne es nicht, Eve. Du weißt, dass du mir wichtig bist. Ich will, dass es dir gut geht."
"Dass es mir gut geht?" Seine Worte klingen wie ein Scherz. Ich bin mir nicht sicher, ob es allein Wut ist, die mich so rasend macht.
"Der Unfall hat mich erschrocken. Natürlich. Alles andere zu behaupten, wäre gelogen. Aber ..."
"Was aber?"
"Es war vermutlich mehr ein schlechtes Gewissen als alles andere."
"Du willst also behaupten, du hast mich aus deinem schlechten Gewissen heraus hergeholt und mich dann geküsst. Richtig?"
"So wie du es sagst, klingt es so nach ..."
"Der Wahrheit?"
Er senkt den Blick. In den Händen hält er einen nassen Schwamm, der Schaumtropfen auf die Fliesen vor der Spüle verteilt. Als wir noch zusammen waren, hat er niemals abgewaschen.
"Tut mir leid, Peter. Aber diese Wahrheit kaufe ich dir nicht ab. Du hattest schon immer das Talent, die Tatsachen so zurechtzubiegen, wie sie dir am besten in den Kram passen. So wie es eben am bequemsten ist."
"Meinst du etwa, es war bequem für mich, mit Clara und dir unter einem Dach zu leben? Meinst du, dass mir die Entscheidung leicht gefallen ist, dich zu uns zu holen?"
"Unter einem Dach zu leben? Ich bin seit drei Tagen hier. Nennst du das etwa zusammenleben?"
"Nein, aber ..."
"Und was deine Entscheidung angeht, da kann ich dir glaube ich helfen, damit es dir wieder besser geht. Ich werde ausziehen. Noch heute." Ich schiebe den Stuhl an den Tisch. Eine Geste, deren Ironie mir erst im Anschluss bewusst wird.
"Aber du kannst nicht ausziehen. Deine Prellungen. Außerdem hattest du eine Gehirnerschütterung."
"Wie du schon sagst. Ich hatte eine Gehirnerschütterung. Und jetzt ist sie vorbei."
Eine Gehirnerschütterung namens Peter?
"Aber du kannst nicht einfach so in deine Wohnung zurück. Was, wenn dieser Typ wieder auftaucht?"
"Erstens wird er nicht auftauchen, weil er überhaupt nicht weiß, wo ich wohne. Und zweitens ist das nicht dein Problem. Außerdem haben wir von Anfang an gesagt, dass ich nur ein paar Tage bei euch wohne. Und diese
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