Schlaflos in Tofuwuerstchen
meiste Zeit über schlafe ich. Ich habe das Gefühl, seit dem Unfall überhaupt nicht mehr richtig wach zu werden."
"Und was ist mit Peter?"
"Was soll mit ihm sein?"
"Herr Gott, Mädchen, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Du tust ja so, als sei es das Normalste auf der Welt, bei seinem Ex und seiner Neuen zu wohnen."
"Erstens wohne ich nur für ein paar Tage hier und zweitens bin ich die Letzte, die es normal finden würde. Ich hab einfach nur nicht die Energie, die Situation ständig auseinander zu pflücken."
"Versteh mich nicht falsch, ich bin froh, dass du in guten Händen bist. Aber ich mache mir Sorgen um dein Nervenkostüm, jetzt da du die beiden ständig vor Augen hast. Ich hoffe, sie reißen sich wenigstens zusammen und fummeln nicht rum, wenn du dabei bist."
"Das würden sie nicht tun."
Der Gedanke daran genügt. Die Ereignisse der letzten Tage haben mich ruhiger in Peters Nähe werden lassen. Keine Annäherungsversuche. Keine Aussprachen. Die Gefühle für ihn bleiben. Aber was fange ich damit an?
"Vielleicht war es auch ein Wink des Schicksals, dass du jetzt bei ihm gelandet bist."
"Das ist doch albern."
"Warum albern? Eine zweite Chance für euch. Wer weiß? Die Liebe geht manchmal seltsame Wege."
"Du hast selbst gesagt, ich soll ihn vergessen."
"Das war vor diesem Chaos, Schätzchen. Vor der schrecklichen Sache mit diesem Psychopathen."
Es ist das erste Mal seit dem Krankenhaus, das wir darüber sprechen.
"Rafael", sage ich.
"Wenn ich daran denke, was alles hätte passieren können." Sie umklammert ihre Kaffeetasse ein bisschen fester.
"Es ist ja alles gut gegangen." Wieder nehme ich den Part der Schönrederei ein.
"Gott sei Dank."
Wir schweigen. Ich will nicht darüber reden. Ich will nicht daran denken. Aber was bleibt übrig, wenn ich die Ereignisse verdränge? Eine fremde Wohnung. Ein fremdes Gästezimmer. Ein fremdes Bett. Und eine Wand weiter der Mann meines Lebens, der ebenfalls zum Fremden geworden ist. Ein Fremder mit neuer Kurzwahltaste. Clara.
Die milde Abendluft trägt den Geruch von gegrilltem Fleisch und Bier zu mir herüber, als ich mich auf die Hollywoodschaukel setze. Balkons und Terrassen umliegender Wohnhäuser stimmen sich auf den Beginn des Sommers ein. Ich ziehe meine Jeansjacke über der Brust zusammen, während ich mich bemühe, den Gedanken an Peter und Clara, die in diesem Augenblick im Wohnzimmer zusammen auf der Couch sitzen, zu verdrängen. Ich bin ein Eindringling in einer fremden Wohnung. Und doch kann ich nicht aufhören, Clara den Titel Eindringling zuzuschreiben. Sie haben mir angeboten, mit ihnen gemeinsam eine DVD zu schauen. Vielmehr war es Clara, die diesen Vorschlag in verblümter Freundlichkeit gemacht hat. Peter hat gar nichts gesagt. Doch zu mehr als einem in Eile herunter geschlungenen Teller Spinat-Ravioli in ihrer Gegenwart konnte ich mich beim besten Willen nicht durchringen. Wäre ja noch schöner. DVD-Abend mit Peter und seiner Neuen. Andererseits würde es zur Skurrilität der Gesamtsituation passen.
Ich schaue in den dunkler werdenden Himmel, an dem sich erste Sterne abbilden. Im Grunde ein romantischer Abend.
Hinter mir öffnet sich die Terrassentür. Peter.
"Bist du dir sicher, dass du nicht mit reinkommen willst?" Sein Tonfall ist fürsorglich.
"Ja. Ich bin sicher", antworte ich knapp.
Er setzt sich neben mich. Der vertraute Anblick dünner Kammspuren in seinem Haar.
"Aber du kannst doch nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben", sagt er.
"Das habe ich auch nicht vor. Ich werde mich zeitig schlafen legen."
"Eve."
Ich schaue ihn an. "Was ist?"
Für einen Moment schweigt er.
"Ich mache mir Sorgen um dich. Du kannst doch nicht so völlig allein hier draußen…"
"Völlig allein?", frage ich ruhig. "Völlig allein bin ich nicht erst seit gestern, Peter. Nur weil diese Sache mit dem Park und dem Unfall dazwischengekommen ist, ändert es nichts an der Tatsache, dass ich mir das Alleinsein nicht ausgesucht habe."
"Darum geht es doch gar nicht."
"Worum geht es dann?"
Er schweigt. Vermutlich fehlt ihm wieder mal die richtige Antwort.
"Ich bin dir dankbar, dass du mich zu dir geholt hast, Peter. Wirklich. Und ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, für ein paar Tage in eurem Gästezimmer zu wohnen. Trotzdem werde ich bei diesem Wir-haben-uns-alle-lieb-Spiel in trauter Dreisamkeit nicht mitmachen. Das mit unserer Trennung ist viel zu frisch, um das hier normal zu finden. Und ganz sicher werde ich mich
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