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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ding!«, murmelte und dabei an ihrem Rock zupfte, dachte Ralph grinsend. Aber die Golfspieler warfen nicht einmal einen Blick zu ihnen herüber, obwohl eine Vierergruppe auf dem Weg zum neunten Loch so nah an ihnen vorbei ging, dass Ralph hören konnte, wie sie sich Sorgen über eine sich abzeichnende Baisse auf dem Aktienmarkt machten. Der Gedanke, dass er und Lois wieder unsichtbar geworden waren - oder zumindest ziemlich konturlos - kam Ralph immer plausibler vor. Plausibel … und beunruhigend. Die Zeit vergeht schneller, wenn man weiter oben ist, hatte der alte Dor gesagt.
    Die Spur wurde umso frischer, je weiter sie nach Westen kamen, und Ralph gefielen die Spritzer und Tropfen, aus der sie bestand, immer weniger. Wo der Glibber auf die Schienen getropft war, hatte er den Rost weggefressen wie ätzende Säure. Das Unkraut, auf das er getropft war, sah schwarz und abgestorben aus - selbst das widerstandsfähigste war eingegangen. Nachdem Ralph und Lois das dritte Grün des Golfplatzes von Derry passiert hatten und in ein weiteres Dickicht von dürren Bäumen und Unterholz eindrangen, zupfte Lois ihn am Ärmel. Sie zeigte nach vorn. Atropos’ Fährte glänzte in großen Flecken wie ekelerregende Farbe auf den Stämmen der Bäume, die sich
jetzt bis dicht an den Schienenstrang drängten, und in manchen Mulden zwischen den alten Schienen - wo einmal Schwellen gewesen waren, vermutete Ralph - standen ganze Lachen davon.
    [»Wir nähern uns seinem Zuhause, Ralph.«]
    [»Ja.«]
    [»Was sollen wir tun, wenn er zurückkommt und uns dort findet?«]
    Ralph zuckte die Achseln. Er wusste es nicht und war sich nicht sicher, ob es ihn kümmerte. Sollten sich die Mächte, die sie hier herumschoben wie Figuren auf einem Schachbrett - die Mr. K. und Mr. L. den Höheren Plan nannte -, darüber Gedanken machen. Falls Atropos auftauchte, würde Ralph versuchen, dem kleinen kahlköpfigen Wichser die Zunge herauszureißen und ihn damit zu erdrosseln. Und wenn er damit jemandem auf die Füße trat, zu dumm aber auch. Er konnte keine Verantwortung für große Pläne und langfristige Angelegenheiten übernehmen; seine Aufgabe bestand jetzt darin, auf Lois aufzupassen, die in Gefahr schwebte, und zu versuchen, das Blutbad zu verhindern, das in wenigen Stunden hier in der Nähe stattfinden sollte. Und wer weiß? Vielleicht fand er sogar unterwegs noch etwas Zeit, seine eigene, zum Teil verjüngte Haut zu retten. Das alles musste er tun, und wenn der bösartige kleine Pisser Ralph dabei in die Quere kam, würde einer von ihnen auf der Strecke bleiben. Und wenn das den großen Bossen nicht in den Kram passte, hatten sie Pech gehabt.
    Lois las das fast alles aus seiner Aura - er sah es ihrer eigenen an, als sie ihn am Arm berührte und er sich zu ihr umdrehte.

    [»Was soll das bedeuten, Ralph? Dass du versuchen willst, ihn umzubringen, wenn er sich uns in den Weg stellt?«]
    Er dachte darüber nach, dann nickte er.
    [»Ja, ganz genau das soll es bedeuten.«]
    [»Ralph?«]
    Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
    [»Wenn es sein muss, werde ich dir dabei helfen.«]
    Das rührte ihn auf absurde Weise … und er gab sich allergrößte Mühe, den Rest seiner Gedanken vor ihr zu verbergen: dass sie nur noch deshalb bei ihm war, damit er sie im Auge behalten und beschützen konnte. Der Gedanke rief ihm die Ohrringe wieder ins Gedächtnis zurück, aber er verdrängte das Bild hastig, weil er nicht wollte, dass sie seiner Aura etwas ansah - oder es auch nur vermutete.
    Derweil waren Lois’ Gedanken in eine andere, etwas ungefährlichere Richtung abgeschweift.
    [»Selbst wenn wir reingehen und wieder rauskommen, ohne auf ihn zu stoßen, wird er wissen, dass jemand da gewesen ist, oder nicht? Und wahrscheinlich wird er auch wissen, wer es war.«]
    Ralph konnte es nicht bestreiten, sah aber nicht, was das großartig ausmachen sollte; sie hatten keine Alternative, zumindest momentan. Sie würden einen Schritt nach dem anderen tun und einfach hoffen, dass sie den morgigen Sonnenaufgang noch erleben würden. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich ihn wahrscheinlich lieber verschlafen, dachte Ralph, und ein kleines, sehnsüchtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Herrgott, es scheint Jahre her zu sein, seit ich zum letzten Mal ausgeschlafen habe. Von da aus schweiften seine Gedanken zu Carolyns Lieblingsspruch ab, dass es ein langer Weg zurück ins Paradies
war. Im Augenblick schien es ihm, als wäre es das Paradies, einfach mal bis zum Mittag

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