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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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waren sie alle.
    [»Ralph!«]
    Er drehte sich um und sah, dass Lois beide Hände ausstreckte. In einer hielt sie einen Panama, aus dessen Krempe ein sichelförmiges Stück herausgebissen worden war. In der anderen einen schwarzen Nylontaschenkamm, wie man ihn in jedem Kramladen für eins neunundzwanzig kaufen konnte. Ein geisterhafter orangegelber Schimmer haftete ihm noch an, was Ralph nicht überraschte. Jedes Mal, wenn sein Besitzer ihn benutzt hatte, musste der Kamm ein wenig von dem Leuchten der Aura und der Ballonschnur aufgenommen haben wie Schuppen. Und es überraschte ihn nicht, dass der Kamm bei dem Hut lag; als er beides zum letzten Mal gesehen hatte, waren sie auch zusammen gewesen. Er erinnerte sich, wie Atropos sarkastisch grinsend den Panama abgenommen hatte und vorgab, den Kamm über seinen eigenen kahlen Schädel zu ziehen.
    Und dann ist er hochgesprungen und hat die Hacken zusammengeschlagen.
    Lois deutete auf einen alten Schaukelstuhl mit gebrochener Kufe.
    [»Der Hut lag gleich dort auf dem Stuhl. Der Kamm darunter. Er gehört Mr. Wyzer, nicht?«]
    [»Ja.«]
    Sofort streckte sie ihm den Kamm entgegen.
    [»Nimm du ihn. Ich bin zwar nicht so schusselig, wie Bill immer geglaubt hat, aber manchmal verliere ich schon etwas. Und den zu verlieren, würde ich mir nie verzeihen.«]
    Er nahm den Kamm, wollte ihn in die Gesäßtasche stecken und dachte daran, wie mühelos Atropos ihn aus einer
ebensolchen herausgezogen hatte. Im Handumdrehen war es passiert. Er steckte ihn stattdessen in die vordere Tasche und sah wieder zu Lois, die McGoverns angebissenen Hut so traurig und verwundert betrachtete wie Hamlet den Schädel seines alten Freundes Yorick. Als sie aufschaute, sah Ralph Tränen in ihren Augen.
    [»Er hat diesen Hut geliebt. Er dachte, er würde ausgesprochen flott und verwegen damit aussehen. Dem war aber nicht so - er hat einfach nur wie Bill ausgesehen -, aber er dachte , dass er gut aussah, und darauf kommt es an. Findest du nicht auch, Ralph?«]
    [»Ja.«]
    Sie warf den Hut wieder auf den alten Schaukelstuhl, drehte sich um und begutachtete eine Kiste, die - wie es aussah - voll mit Kleidern für den Ramschverkauf war. Kaum hatte sie ihm den Rücken zugekehrt, ging Ralph in die Hocke, sah unter den Stuhl und hoffte, ein Funkeln von Edelsteinsplittern in der Dunkelheit zu sehen. Wenn Bills Hut und Joes Kamm hier waren, dann vielleicht auch Lois’ Ohrringe …
    Unter dem Schaukelstuhl lagen jedoch nur Staub und ein gestrickter rosa Babyschuh.
    Ich hätte wissen müssen, dass es nicht so einfach sein würde, dachte Ralph und stand wieder auf. Plötzlich fühlte er sich erschöpft. Sie hatten Joes Kamm ohne Probleme gefunden, und das war gut, absolut fantastisch, aber Ralph befürchtete, dass es sich dabei um einen spektakulären Fall von Anfängerglück handelte. Um Lois’ Ohrringe mussten sie sich immer noch kümmern … und selbstverständlich erledigen, weshalb sie hergeschickt worden waren. Und was war das? Er wusste es nicht, und wenn jemand
von weiter oben Anweisungen sendete, bekam er sie nicht mit.
    [»Lois, hast du eine Ahnung, was …«]
    [»Pst!«]
    [»Was ist, Lois? Ist er es?«]
    [»Nein! Sei still, Ralph! Sei still und hör zu!«]
    Er lauschte. Zuerst hörte er nichts, und dann spürte er wieder das zuckende Gefühl - das Blinzeln - im Kopf. Diesmal war es sehr langsam, sehr vorsichtig. Er stieg ein wenig weiter empor, so leicht wie eine Feder in einem warmen Aufwind, und bemerkte ein lang gezogenes, leises Stöhnen, wie eine endlos quietschende Tür. Es hatte etwas Vertrautes an sich - nicht das Geräusch selbst, aber die damit verbundenen Assoziationen. Es war wie …
    … eine Alarmanlage oder möglicherweise ein Rauchmelder. Es sagt uns, wo es ist. Es ruft uns.
    Lois ergriff seine Hand mit eiskalten Fingern.
    [»Das ist es, Ralph - das ist es, wonach wir suchen. Hörst du es?«]
    Ja, natürlich hörte er es. Aber was immer das Geräusch auch sein mochte, es hatte nichts mit Lois’ Ohrringen zu tun … und ohne Lois’ Ohrringe würde er hier nicht weggehen.
    [»Komm schon, Ralph! Komm mit! Wir müssen es finden!«]
    Er ließ sich von ihr tiefer in den Raum führen. An den meisten Stellen stapelten sich Atropos’ Andenken mehr als drei Fuß über ihre Köpfe hinaus. Wie ein Wurzelzwerg wie er das bewerkstelligt hatte, konnte Ralph sich nicht vorstellen - möglicherweise durch Schweben -, allerdings verlor er infolgedessen rasch die Orientierung, während sie
sich durch die

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