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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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von Leben und Tod in Wirklichkeit: Wer das Recht hat. Diesmal bist du es. Also, was sagst du?]

    [»Ich weiß nicht, was ich sage. Ich weiß nicht, was ich denke. Ich weiß nur, ich wünschte, ihr drei hättet mich VERDAMMT NOCH MAL EINFACH IN RUHE GELASSEN!«]
    Ralph Roberts hob den Kopf zur wurzeldurchzogenen Decke von Atropos’ Behausung und schrie.

Kapitel 27

1
    Fünf Minuten später streckte Ralph den Kopf aus den Schatten unter der alten windschiefen Eiche heraus. Er sah Lois sofort. Sie kniete vor ihm und sah ihm ängstlich durch das Dickicht der Wurzeln ins Gesicht. Er hob eine schmutzige, blutüberströmte Hand, die sie ergriff, um ihm Halt zu geben, während er die letzten Stufen heraufkam - knorrige Wurzeln, die mehr Ähnlichkeit mit Leitersprossen hatten.
    Ralph wand sich unter dem Baum hervor, drehte sich auf den Rücken und atmete die herrliche, frische Luft in vollen Zügen ein. Er glaubte, dass die Luft in seinem ganzen Leben noch nie so gut gerochen hätte. Trotz allem war er ungeheuer dankbar, draußen zu sein. Frei zu sein.
    [»Ralph? Alles in Ordnung?«]
    Er drehte ihre Hand um, küsste die Handfläche und legte die Ohrringe dann dorthin, wo zuvor seine Lippen gewesen waren.
    [»Ja. Bestens. Die gehören dir.«]
    Sie betrachtete sie neugierig, als hätte sie noch nie Ohrringe gesehen - weder diese noch andere -, dann steckte sie sie in die Tasche.
    [»Du hast sie im Spiegel gesehen, Lois, richtig?«]

    [»Ja, und es hat mich wütend gemacht … aber ich glaube, eigentlich war ich nicht überrascht, im tiefsten Inneren nicht.«]
    [»Weil du es gewusst hast.«]
    [»Ja, ich schätze, das habe ich. Vielleicht schon, als wir Atropos zum ersten Mal mit Bills Hut gesehen haben. Ich habe es nur … du weißt schon … verdrängt.«]
    Sie sah ihn durchdringend an, abschätzend.
    [»Aber lassen wir meine Ohrringe jetzt - was ist da unten passiert? Wie bist du entkommen?«]
    Ralph hatte Angst, dass sie zu viel sehen würde, wenn sie ihn lange auf diese eindringliche Art und Weise musterte. Außerdem fürchtete er, dass er nie mehr würde aufstehen können, wenn er sich nicht bald in Bewegung setzte; seine Müdigkeit war inzwischen so gewaltig, sie glich einem riesigen, verkrusteten Objekt - möglicherweise einem vor langer Zeit gesunkenen Ozeanriesen -, das in ihm lag, ihn rief und versuchte, ihn in die Tiefe zu ziehen. Er stand auf. Er durfte nicht zulassen, dass einer von ihnen in die Tiefe gezogen wurde, nicht jetzt. Die Neuigkeiten, die der Himmel verkündete, waren nicht so schlimm, wie sie hätten sein können, aber schlimm genug - es war mindestens achtzehn Uhr. Überall in Derry setzten sich Leute, die das Thema Abtreibung einen Scheißdreck interessierte (mit anderen Worten, die große Mehrheit), zum Abendessen hin. Im Bürgerzentrum würden die Türen jetzt geöffnet werden; 10-K Fernsehscheinwerfer würden sie anstrahlen, Minicams würden Livebilder der ersten Abtreibungsbefürworter übertragen, die an Dan Dalton und seinen schilderschwingenden Friends of Life vorbeifuhren. Nicht weit von hier entfernt sangen Leute das alte Lieblingslied von
Ed Deepneau, dasjenige, das lautete: Hey, hey, Susan Day, how many kids did you kill today? Was auch immer er und Lois tun würden, sie mussten es in den nächsten sechzig bis neunzig Minuten tun. Die Uhr tickte.
    [»Komm mit, Lois. Wir müssen uns beeilen.«]
    [»Gehen wir ins Bürgerzentrum zurück?«]
    [»Nein, nicht gleich. Ich glaube, vorher müssen wir …«]
    Ralph stellte fest, dass er es einfach nicht erwarten konnte, zu hören, was er zu sagen hatte. Wohin mussten sie seiner Meinung nach vorher? Ins Derry Home zurück? Ins Red Apple? Sein Haus? Wohin ging man, wenn man zwei wohlmeinende, aber alles andere als allwissende Burschen suchte, die einen selbst und seine wenigen engen Freunde in eine Welt voller Schmerzen und Sorgen gestürzt hatten? Oder konnte man davon ausgehen, dass sie einen fanden?
    Vielleicht wollen sie dich nicht finden, Liebling. Möglicherweise verstecken sie sich sogar vor dir.
    [»Ralph, glaubst du wirklich, dass du …«]
    Plötzlich dachte er an Rosalie und wusste es.
    [»Der Park, Lois. Strawford-Park. Dorthin müssen wir. Aber unterwegs müssen wir noch einmal haltmachen.«]
    Er führte sie am Sturmzaun entlang, und wenig später hörten sie das träge Murmeln verschiedener Stimmen. Ralph konnte gegrillte Hotdogs riechen, und nach dem Gestank in Atropos’ Bau kam ihm der Duft wie Ambrosia vor. Eine oder zwei Minuten

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