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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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etwas zu tun.
    Ed hatte die Türklingel von dem Klebeband abgerissen und hielt sie in der Hand.
    Ralph griff in die Tasche, nahm den verbliebenen Ohrring und hielt ihn wieder so zwischen den Fingern, dass die Spitze dazwischen herausragte. Mit der anderen Hand ergriff er die Kabel, die zwischen der Klingel und dem Pappkarton verliefen. Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich und rief wieder das angespannte Gefühl mitten in seinem Kopf herbei. Er spürte ein plötzliches hohles Flattern im Magen und dachte sich: Mann! Das ist der Expresslift!
    Dann befand er sich wieder auf der Ebene der Kurzfristigen, wo es keine Götter oder Teufel gab, keine kahlköpfigen Ärzte mit magischen Scheren und Skalpellen, keine Auren. Unten, wo es unmöglich war, durch Wände zu gehen oder einen Flugzeugabsturz zu überleben. Auf der Ebene
der Kurzfristigen, wo man ihn sehen konnte … und das, wurde Ralph klar, tat Ed gerade.
    »Ralph?« Es war die benommene Stimme eines Mannes, der gerade aus dem tiefsten Schlaf seines Lebens erwacht. »Ralph Roberts? Was machst du denn hier?«
    »Oh, ich war gerade in der Gegend und dachte mir, ich schau mal vorbei«, sagte Ralph. »Schnapp mir einen Stuhl, sozusagen.« Und damit schloss er die Faust und riss die Kabel aus dem Karton.

7
    »Nein!«, schrie Ed. »O nein, nicht, du verdirbst alles!«
    Ja, in der Tat, dachte Ralph, dann griff er über Eds Schoß hinweg nach dem Steuerknüppel der Cherokee. Das Bürgerzentrum lag keine zwölfhundert Fuß mehr unter ihnen, möglicherweise noch weniger. Ralph wusste immer noch nicht mit Gewissheit, was sich in dem auf dem Sitz des Copiloten festgeschnallten Karton befand, aber er hatte eine Ahnung, dass es sich um den Plastiksprengstoff handeln könnte, den Terroristen immer in den Kampfsportfilmen mit Chuck Norris oder Steven Segal benutzten. Der sollte ziemlich stabil sein - nicht wie das Nitroglyzerin in Clouzots Lohn der Angst -, aber dies war sicher nicht der Zeitpunkt, sich auf das Evangelium der Filmbranche zu verlassen. Und selbst ein stabiler Sprengstoff konnte ohne Zünder explodieren, wenn er aus fast zwei Meilen Höhe fiel.
    Er drückte den Steuerknüppel, so weit er konnte, nach links. Unter ihnen drehte das Bürgerzentrum auf schwindelerregende
Weise ab, als wäre es auf die Spindel eines gewaltigen Kreisels montiert.
    »Nein, du Dreckskerl!«, schrie Ed, und etwas, was sich wie der Kopf eines kleinen Hammers anfühlte, traf Ralph an der Seite, lähmte ihn fast vor Schmerzen und machte es ihm unmöglich zu atmen. Ed schlug weiter auf ihn ein, diesmal in die Achselhöhle, worauf seine Hand vom Steuerknüppel abglitt. Ed ergriff den Steuerknüppel und riss ihn heftig zurück. Das Bürgerzentrum, das im Sichtfeld der Windschutzscheibe zur Seite geglitten war, bewegte sich wieder in Richtung Zentrum.
    Ralph streckte die Hand nach dem Knüppel aus. Ed drückte Ralph den Handballen auf die Stirn und stieß ihn zurück. »Warum hast du dich nicht raushalten können?«, fauchte er. »Warum hast du dich einmischen müssen?« Er hatte die Zähne gefletscht und die Lippen zu einer eifersüchtigen Grimasse verzerrt. Dass Ralph im Cockpit aufgetaucht war, hätte ihm einen lähmenden Schock versetzen müssen, aber das war keineswegs so.
    Natürlich nicht, er ist verrückt, dachte Ralph, und erhob unvermittelt seine innere Stimme zu einem panischen Ruf:
    [»Klotho! Lachesis! Um Himmels willen, helft mir!«]
    Nichts. Es sah nicht so aus, als hätte sein Ruf irgend-jemanden erreicht. Warum auch? Er befand sich wieder auf der Ebene der Kurzfristigen, und das bedeutete, er war auf sich selbst gestellt.
    Das Bürgerzentrum lag jetzt nur noch etwa acht- oder neunhundert Fuß unter ihnen. Ralph konnte jeden Backstein, jedes Fenster, jede Person erkennen, die davor stand - er konnte sogar fast sagen, wer von ihnen Schilder trug.
Sie sahen auf und versuchten herauszubekommen, was dieses verrückte Flugzeug hier zu suchen hatte. Ralph konnte die Angst in ihren Gesichtern nicht sehen, noch nicht, aber in drei oder vier Sekunden …
    Er warf sich wieder auf Ed, achtete nicht auf das Pochen in seiner linken Seite, und stieß mit der rechten Faust zu, wobei er die Spitze des Ohrrings mit dem Daumen so weit er konnte zwischen den Fingern hinausdrückte.
    Der alte Trick mit dem Ohrring hatte beim Scharlachroten König funktioniert, aber da war Ralph auch höher oben gewesen und hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite gehabt. Auch diesmal zielte Ralph nach dem

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