Schlaflos - Insomnia
doch nicht so ein Trottel.
»Wozu, um alles in der Welt, sollte ich einen Anwalt brauchen?«, fragte Ed. Er machte eine halbe Drehung und erprobte das verwirrte Lächeln an Chris Nell, der immer noch neben dem Ghettoblaster auf der Verandatreppe stand.
»Ich weiß nicht, und vielleicht brauchen Sie keinen«, sagte Leydecker nach wie vor lächelnd. »Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie einen haben können. Und wenn Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen die Stadt Derry einen stellen.«
»Aber ich weiß nicht …«
Leydecker nickte und lächelte. »Schon gut, klar, wie auch immer. Aber das sind Ihre Rechte. Verstehen Sie Ihre Rechte, wie ich Sie Ihnen erklärt habe, Mr. Deepneau?«
Ed stand einen Moment völlig reglos, und seine Augen wurden plötzlich wieder groß und leer. Ralph fand, er sah wie ein menschlicher Computer aus, der versucht, einen riesigen und komplizierten Datenbatzen zu verarbeiten. Dann schien ihm aufzugehen, dass sein Täuschungsmanöver nicht funktionierte. Seine Schultern sackten ab. Die Leere wich einer unglücklichen Miene, die zu echt war, als dass man sie in Zweifel ziehen konnte … aber Ralph zog sie dennoch in Zweifel. Er musste daran zweifeln; er hatte den Wahnsinn in Eds Gesicht gesehen, bevor Leydecker und Nell eingetroffen waren. So wie Bill McGovern. Aber Zweifel war nicht dasselbe wie Ungläubigkeit, und Ralph vermutete, Ed bedauerte auf einer bestimmten Ebene aufrichtig, dass er Helen geschlagen hatte.
Ja, dachte er, so wie er auf einer bestimmten Ebene glaubt, dass diese Zenturionen, von denen er gesprochen hat, ganze Wagenladungen toter Föten zur Müllkippe von Newport fahren. Und dass sich die Kräfte von Gut und Böse in Derry sammeln, um ein Drama auszuspielen, das nur in seinem Verstand stattfindet. Nennen wir es Omen V: Am Hof des Scharlachroten Königs .
Und doch kam er nicht umhin, widerstrebend ein gewisses Mitgefühl für Ed Deepneau zu empfinden, der Carolyn während ihres letzten Aufenthalts im Derry Home getreulich dreimal die Woche besucht, immer Blumen mitgebracht und ihr immer einen Kuss gegeben hatte, bevor er gegangen war. Er hatte ihr diesen Abschiedskuss auch
dann noch gegeben, als sie längst vom Geruch des Todes umgeben gewesen war, und Carolyn hatte ihm immer die Hand gedrückt und ein dankbares Lächeln geschenkt. Danke, weil du nicht vergessen hast, dass ich immer noch ein menschliches Wesen bin, hatte dieses Lächeln gesagt. Und danke, dass du mich wie eines behandelst. Das war der Ed, den Ralph als seinen Freund betrachtet hatte, und er dachte - oder hoffte vielleicht nur -, dass dieser Ed immer noch da war.
»Ich bin in Schwierigkeiten, richtig?«, fragte er Leydecker leise.
»Nun, mal sehen«, sagte Leydecker immer noch lächelnd. »Sie haben Ihrer Frau zwei Zähne ausgeschlagen. Sieht aus, als wäre ihr Wangenknochen gebrochen. Ich würde die Uhr meines Großvaters verwetten, dass sie eine Gehirnerschütterung hat. Dazu eine kleine Auswahl geringfügigerer Verletzungen - Platzwunden, Blutergüsse und diese komische kahle Stelle über der rechten Schläfe. Was hatten Sie vor? Ihr die Haare vom Kopf zu reißen?«
Ed schwieg, die grünen Augen auf Leydeckers Gesicht geheftet.
»Sie wird die Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen, weil irgendein Arschloch sie halb tot geprügelt hat, und alle scheinen sich darin einig zu sein, dass Sie dieses Arschloch waren, Mr. Deepneau. Ich sehe das Blut an Ihren Händen und das Blut auf Ihrer Brille und denke ebenfalls, dass Sie es vermutlich waren. Und was meinen Sie dazu? Sie scheinen ein kluger Mann zu sein. Glauben Sie , dass Sie in Schwierigkeiten sind?«
»Es tut mir sehr leid, dass ich sie geschlagen habe«, sagte Ed. »Ich wollte es nicht.«
»Hmhm, und wenn ich einen Vierteldollar für jedes Mal bekommen würde, wo ich das schon gehört habe, müsste ich nie wieder einen Drink von meinem Gehaltsscheck bezahlen. Ich nehme Sie fest unter dem Vorwurf der schweren Körperverletzung, Mr. Deepneau, auch als häusliche Gewalt bekannt. Das Vergehen fällt unter das Gesetz des Staates Maine über Familienstreitigkeiten. Ich möchte Sie bitten, mir noch einmal zu bestätigen, dass ich Sie über Ihre Rechte aufgeklärt habe.«
»Ja«, sagte Ed mit leiser, unglücklicher Stimme. Das Lächeln - verwirrt oder sonst wie - war verschwunden. »Ja, das haben Sie.«
»Wir nehmen Sie mit zum Polizeirevier und nehmen Sie in Haft«, sagte Leydecker. »Danach dürfen Sie einen Telefonanruf tätigen
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