Schlaflos
nicht! Bastien
hat auch ihn getäuscht.«
Wie Armands Haar sich verändert hatte! Dunkelblond mit nur
wenigen helleren Strähnen darin. Seine Augen hatten die Farbe von Azurit und
der Schmerz, den sie ausdrückten, stach in Madeleines Brust.
»Ich erinnere mich an alles!“, versicherte sie. Was war nur
mit ihm? Er hätte doch allen Grund zu triumphieren!
»Es tut mir leid«, brachte er hervor. »Zuerst glaubte ich
nicht an einen Erfolg. Später habe ich gehofft, dass es nicht funktioniert.«
Madeleine starrte verständnislos. Wovon redete er?
Es wurde immer heller. Über den Sträuchern, hinter denen ihre
Wagen parkten, entsprang ein goldener Schimmer. Dabei war der Sonnenaufgang
noch Stunden entfernt. Innerhalb Sekunden intensivierte sich das Licht. Es
begann, durch das Blattwerk hindurch zu leuchten. Armand folgte ihrem Blick. Er
atmete tief, schluckte. Seine Stimme klang belegt, als er ihre Hand ergriff.
»Wir müssen gehen. Es ist besser, wenn sie nicht hierher
kommen.«
Angst überkam sie. Sie riss sich los. »Bastien?« Der Name kam
als eben noch hörbarer Hauch über ihre Lippen. Ihre schlimmste Befürchtung!
Armand schüttelte den Kopf. »Wenn er es nur wäre«, murmelte
er. Den Arm um ihre Schulter geschlungen, führte er sie zum Parkplatz zurück,
von dem ein gleißendes, aber für Madeleine nicht blendendes Licht ausging. Kein
UV-Licht.
Sie durchbrachen die Wand aus Gestrüpp und standen vor der
klobigen Karosserie des Maibach, die jetzt in strahlendem Gold leuchtete. Immer
greller waberte der Glanz, vertrieb die Dunkelheit. Das Licht musste
kilometerweit zu sehen sein!
Nicht nur die dunkle Seite der Magie hatte sich verpflichtet,
sich vor den Sterblichen zu verbergen. Dieses Aufsehen war ein klarer Bruch der
Vereinbarungen! Vorwurfsvoll blickte Madeleine zu der weißen Hexe, doch Irina
starrte nur, mit ängstlich aufgerissenen Augen, in die Helligkeit.
Die Sterne schienen nicht länger gleichmäßig vom Himmel. Ihr
Licht konzentrierte sich auf einen bestimmten Punkt, bündelte sich dort, wie in
einer Linse. Einem Blitz gleich zuckte die Energie des Maibach zum Himmel,
vereinte sich dort mit dem Licht der Sterne und wurde zu einer strahlenden
Säule, die den Himmel mit der Erde verband. Ein tiefes Summen ging von dem
goldfarbenen Gleißen aus, wie von einer Hochspannungsleitung, und plötzlich
waren sie da!
Sie kamen zu dritt und ihre Erscheinungen waren so hell und
leuchteten von innen heraus, dass der Rest des Spektakels daneben verblasste.
Die Farbe ihrer Augen war ein blendendes Weiß und ihr Haar schien zu brennen.
Der gefallene Engel und Irina sanken auf die Knie und Armand
zog Madeleine mit sich. Nicht, dass sie ernsthaft geglaubt hätte, ihnen den
Respekt verwehren zu können. Gewiss, sie gehörte der Dunkelheit an und
theoretisch schuldete sie dem Licht nichts. Allerdings würde es sich sogar ein
Höllenfürst gut überlegen, ob er sich mit drei Erzengeln anlegen wollte.
Eine der Lichtgestalten fixierte Armand. »Du hast deine
Aufgabe gut erfüllt«, tönte er. Die Stimme besaß einen unheimlichen Nachhall.
Armand wich Madeleines Blick aus. »Wenn Ihr es sagt, Herr.«
»Was hast du in Erfahrung gebracht, Schlaflose?« Augen wie
Lichtspeere nahmen Madeleine ins Visier. Die Helligkeit ließ ihren Kopf
schmerzen. »Du kennst Dragos Grab?«
Sie schluckte mehrmals, um ihre zitternde Stimme unter
Kontrolle zu bringen. »Mein Vater hat das Grab nicht gefunden.«
Armand starrte sie an. Machte er sich Sorgen, sie könnte sich
diesen Schauergestalten widersetzen?
»Wo befindet sich das Artefakt?« Der zweite Erzengel klang
noch kälter und bedrohlicher.
»In der Legende heißt es, das Artefakt sei mit Drago begraben
worden«, stammelte Madeleine. »Aber das stimmt nicht. Es wurde versteckt, aber
nicht in der Erde. Mein Vater nannte es eine Dimensionsfalte.«
»Das Artefakt wurde zwischen den Dimensionen verborgen?«
Die Erzengel wandten sich einander zu. Madeleine war überzeugt,
dass sie wortlos kommunizierten.
»Wie ist das vor sich gegangen?«
Unter den eisigen Blicken der Engel zitterte Madeleine. In
ihren Ohren rauschte es. Sie hatte keine Ahnung!
Der dritte Erzengel ergriff das Wort. Er klang ungeduldig,
wie ein Erwachsener gegenüber einem begriffsstutzigen Kind.
»Ich will die Frage anders formulieren.« Er sprach das: damit
sogar du mich verstehst, nicht aus. Dennoch hingen die Worte deutlich in
der Luft. Zorn stieg in Madeleine auf, aber ihre Angst verdrängte jede
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