Schlag auf Schlag
Lady«, verkündete er und stellte ihr den Teller hin, »und Baumgart's Szechuan-Huhn mit Aubergine für den Herrn, der es nicht wert ist, ihr zu Füßen zu liegen.«
»Der war gut«, sagte Myron. »Sehr komisch.«
Peter verbeugte sich. »In meiner Heimat gelte ich als Mann mit viel Humor.«
»In Ihrer Heimat muss es echt witzig sein.« Myron blickt auf seinen Teller hinab. »Ich hasse Auberginen, Peter.«
»Sie werden sie essen und um Nachschlag betteln«, erwiderte er. Er lächelte Jess zu. »Guten Appetit.« Er ging.
»In Ordnung«, sagte Jess, »und was ist nun mit Alexander Cross?«
»Eigentlich geht's weniger um Alexander selbst. Eher um Curtis Yeller. Alle sagen, dass er ein prima Junge war. Seine Mutter hat sich rührend um ihn gekümmert, ihn wie verrückt geliebt, mit allem Drum und Dran. Jetzt tut sie so, als wäre nichts passiert.«
»>Manch Kummer findet keine Worte<«, erwiderte Jessica. »>So mancher Schmerz währt ewiglich. <«
Myron überlegte einen Augenblick. »Les Miserables?« Das immerwährende Zitateraten.
»Richtig, aber wer spricht?«
»Valjean?«
»Schade, daneben. Marius.«
Myron nickte. »Macht nichts«, sagte er, »ist sowieso ein dämliches Zitat.«
»Ich weiß. Ich hab mir die Kassette im Wagen angehört«, sagte sie. »Könnte aber trotzdem was dran sein.«
»Ein Kummer, für den sie keine Worte findet?« »Ja.«
Er trank einen Schluck Wasser. »Für dich ist es also nachvollziehbar, dass die Mutter so tut, als wäre nichts passiert.«
Jessica zuckte die Achseln. »Es ist sechs Jahre her. Was soll sie denn tun - jedes Mal zusammenbrechen und anfangen zu heulen, wenn du bei ihr vorbeikommst?«
»Nein«, sagte Myron, »aber ich würde erwarten, dass sie wissen will, wer ihren Sohn umgebracht hat.«
Noch ehe sie ihre Garnelen auch nur probiert hatte, streckte Jessica den Arm aus und nahm sich mit der Gabel ein Stück von Myrons Huhn. Nicht von der Aubergine. Vom Huhn. »Vielleicht weiß sie es schon«, gab sie zu bedenken.
»Was? Glaubst du auch, dass sie sich bestechen lassen hat?«
Jess zuckte die Achseln. »Vielleicht. Aber darum geht es dir doch eigentlich gar nicht.«
»Aha?«
Jess kaute anmutig. Selbst das Zermalmen von Nahrung wurde bei ihr zu einem Ereignis. »Duanes Stelldichein im Hotelzimmer mit Curtis Yellers Mutter«, sagte sie. »Das ist dir an die Nieren gegangen.«
»Du musst zugeben, dass es ein Wahnsinnszufall wäre«, wandte er ein.
»Hast du eine Hypothese?«, fragte sie.
Myron überlegte kurz. »Nein.«
Jessica pickte sich ein weiteres Stück Huhn von seinem Teller. »Du könntest Duane fragen«, schlug sie vor.
»Klar. Ich geh zu ihm und sage: >Mensch, Duane, ich hab dich beschattet und dabei mitgekriegt, dass du's mit 'ner älteren Frau getrieben hast. Willst du vielleicht mit mir darüber reden?<«
»Ja, könnte schwierig werden«, stimmte sie zu. »Du kannst es natürlich auch von der anderen Seite her angehen.«
»Deanna Yeller?«
Jessica nickte.
Myron kostete von seinem Huhn. Bevor Jess alles wegfutterte. »Wäre einen Versuch wert«, sagte er. »Kommst du mit?«
»Dann kriegt sie höchstens einen Schreck«, sagte Jess. »Setz mich einfach zu Hause ab.«
Sie aßen zu Ende. Selbst Myrons Aubergine wurde alle. Sie war ziemlich gut. Peter brachte ihnen ein gehaltvolles Schokoladendessert - ein Nachtisch, bei dem man schon vom Angucken dick wurde. Jess langte zu. Myron hielt sich zurück. Sie fuhren über die George Washington Bridge zum Henry Hudson Parkway und die West Side hinunter. Vor ihrem Loft an der Spring Street in Soho setzte er sie ab. Als sie ausgestiegen war, beugte sie sich noch mal zum Wagen herunter.
»Kommst du hinterher noch vorbei?«, fragte sie.
»Klar. Zieh die kleine französische Dienstmädchenuniform an und warte auf mich.«
»Ich habe keine französische Dienstmädchenuniform.« »Oh.«
»Vielleicht können wir morgen früh eine besorgen«, schlug sie vor. »Bis dahin finden wir schon etwas Passendes.«
»Groovy«, sagte Myron.
Jess drehte sich um und ging hinauf in die zweite Etage. Ihr Loft nahm das halbe Stockwerk ein. Sie schloss die Tür auf und trat ein. Sie knipste das Licht an und erschrak, als sie Aaron auf ihrem Sofa erblickte.
Noch ehe sie reagieren konnte, stand ein anderer Mann - ein
Mann in einem Netzhemd - hinter ihr und hielt ihr eine Pistole an die Schläfe. Ein dritter Mann - ein Schwarzer - schloss die Tür und schob den Riegel vor. Auch er trug eine Waffe. Aaron lächelte ihr zu.
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