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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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hatte zuviel Alkohol im Blut gehabt. 1,6 Promille genau. Und nun war der Führerschein für ein halbes Jahr weg.
    »Aber das Auto muss repariert werden. Ich will es verkaufen.«
    Es klang nicht unbedingt wie eine Bitte, ihm zu helfen, konnte aber so aufgefasst werden.
    »Auto kaputt – Heizung kaputt«, witzelte ich lahm. »Aber sonst funktioniert noch alles bei dir?«
    Arne schwieg. Er setzte sich wieder, ich blieb stehen.
    »Und wieso bist du bei dieser Saukälte so dünn angezogen? Du holst dir eine Erkältung.«
    »Nee. Das passiert schon nicht«, sagte Arne. »Ich erhöhe nur meinen Grundumsatz.«
    »Hä?«
    Erst viel später schaltete ich. Je kälter es wurde und je dünner er sich anzog, desto schneller magerte er ab.
    »Kann ich dir mit dem Auto helfen?«
    Er nickte. »Moment. Ich ziehe mir nur schnell feste Schuhe an.«
    Er angelte im schwarzen Kabelgewirr unter dem Tisch nach einem Paar Turnschuhen, in denen weiße Sportsocken steckten. Er lockerte die Schnürsenkel an beiden Schuhen, dann streifte er mit den Händen das rechte Bein seiner Jogginghose hoch.
    Ein Blick darauf ließ mich zurückschrecken. Sein Schienbein war voller Wunden, knallroter Stellen, an denen ich das offene Fleisch sah. Dazwischen abgeschälte Hautstücke und Blasen.
    »Arne, was ist das? Ein Unfall? Hast du dich verbrüht?«, rief ich.
    Er zog schnell seine Socke über und streifte das Hosenbein herab.
    »Nichts«, sagte er ruhig. »Nicht der Rede wert.«
    »Das ist gefährlich«, sagte ich. »Das Bein muss versorgt werden.«
    »Nicht nötig«, sagte Arne. »Ich habe einen guten Arzt.« Damit ließ ich mich beschwichtigen. Gegen meine Zweifel. Aber natürlich konnte ich ihn nicht dazu zwingen, mich das Bein untersuchen zu lassen. Er wandte sich ab und zog hastig den anderen Strumpf und Schuh an. Im Flur schlüpfte er in seine Lederjacke und nahm einen Schlüssel vom Haken an der Wand. »Komm!«
    Wir gingen zu seinem Auto, er schloss auf und gab mir den Schlüssel, was ich als Aufforderung zum Einsteigen interpretierte. Ich setzte mich auf den Fahrersitz, und er nahm danebenPlatz, wir schnallten uns an, und ich startete den Motor. Schon beim Losfahren merkte ich, dass Arne recht hatte. Die Kupplung hatte einen viel zu langen Weg und knirschte verdächtig.
    »Die Werkstatt ist nicht weit von hier«, sagte Arne.
    Im Auto stank es noch schlimmer nach Zigaretten als in seiner Wohnung. Ich fragte ihn, ob er wohl glaube, jemand werde ein solch übelriechendes Auto kaufen wollen. Er bat mich, an den Straßenrand zu fahren. Als ich gehalten hatte, riss er den Aschenbecher aus der Halterung, schüttelte die Kippen, die dort hineingepresst waren, in einen grauen Schneehaufen, dann steckte er den Aschenbecher zurück.
    »Weiter«, sagte er auf einmal in munterem Ton.
    Die Werkstatt war ein paar Kilometer entfernt – ein schmuddliger Billig-Laden auf Bargeld-Basis, aber der Meister, ein Typ in ölverschmierten Arbeitshosen und einer ausgebeulten Holzfäller-Jacke, kannte Arne und nahm das Auto ohne viele Umstände an. Arne zeigte auf mich.
    »Das ist Ali«, sagte er. »Er kommt nächste Woche und holt das Auto wieder ab.«
    »Freitag dürfte klappen«, sagte der Meister. »Ich verzichte mal auf eine Anzahlung, weil du es bist.«
    Arne winkte ihm lässig zu, und wir gingen. Bis zu seiner Wohnung mussten wir eine gute halbe Stunde laufen. Wir trotteten ziemlich wortlos nebeneinander her, was mich aber nicht nervös machte, ich kannte ja Arne. Es wunderte mich, dass er nicht fror. Er ging nur ziemlich schnell, so als wollte er sich durch die Bewegung unter Dampf halten. Ich versuchte es noch einmal.
    »Arne …«
    Sein »Ja?« klang beinahe schon aggressiv. Er schien meine Frage vorauszusehen. Ich änderte meine Absicht und fragte:
    »Bist du mir böse, wenn ich gleich nach Hause fahre?«
    Ich hatte keine Lust, noch einmal diese eiskalte Rauchbude zu betreten. Es dämmerte bereits, und Arne stand vor mir wie ein Scherenschnitt. Sein langer Pferdeschwanz kringelte sich und schien sich im Kragen seiner Lederjacke verkriechen zu wollen.
    »Ich kümmere mich dann um den Wagen.«
    »Ist gut«, sagte Arne und drehte sich weg.
     
    Am Freitagnachmittag in der folgenden Woche begleitete Katja mich in die Werkstatt. Der Chef überreichte mir einen ölverschmierten Zettel, auf dem er die Arbeitsstunden und die Ersatzteile aufgelistet hatte.
    »Alles in allem 200 Mark. Trinkgeld inbegriffen. Möglichst in kleinen Scheinen.«
    Ich überlegte, was ich tun

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