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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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und er war hochzufrieden mit den Zeiten, die ich, wieder zu Hause auf dem Schulsportplatz, in den Test-Sprints erreichte. Beste Aussichten – bis sich wenige Tage vor dem Termin mitten im Lauf ein scharfer Schmerz in meinen rechten Oberschenkel bohrte.
    Ich strauchelte, stürzte auf die Bahn und riss mir beide Unterarme auf. Blutend und fluchend humpelte ich Richtung Umkleide, wo Ferdi die letzte Sektor-Zeit in seine Tabelle eintrug. Dann rannte er zum Kiosk des Hausmeisters und holte mehrere Eis am Stiel heraus, die er mit einer Trainingsjacke auf meinem Schenkel festband. Er packte meinen Arm und legte ihn um seinen Hals, führte mich zum Auto und brachte mich zum Arzt. Ich hatte mir einen Muskelfaserriss zugezogen – in meinem Oberschenkel klaffte ein Loch so groß wie ein Markstück. Ich hasste meinen Körper dafür, dass er mich im Stich ließ.
    Wir sind dann trotzdem hingefahren zu den Juniorenmeisterschaften, mein Bein war fest bandagiert, und in meiner Sporttasche lag eine Schachtel starkes Schmerzmittel. Alle zwei Stunden nahm ich eine Tablette. Ich war wie besessen. Ferdi sagte: »Rolf, wir fahren nach Hause. Es ist Selbstmord, hier zu starten.« Aber ich schüttelte nur den Kopf und biss die Zähne so fest zusammen, dass ich nicht sprechen konnte.
    Auf dem Weg zum Start spürte ich keine Schmerzen mehr. Mein Oberschenkel fühlte sich steif und gespannt an, aber die Stiche blieben aus. Ich ging in den Ausfallschritt, winkelte dieArme an, und als das Startsignal kam, lief ich los, ohne an meine Verletzung zu denken. Ich drückte mit aller Kraft die Füße vom Boden ab, etwas in mir wollte erzwingen, dass sich alles so anfühlte wie immer. Doch schon wenige Schritte nach dem Startschuss spürte ich, dass die Verletzung schlimmer wurde. Ich kam immerhin etwa 200 Meter weit, dann knickte plötzlich mein rechtes Knie ein, und ich stürzte auf die Bahn. Ich spürte immer noch nichts, aber die Welt wurde mir plötzlich fremd, und ich hörte überdeutlich und gleichzeitig völlig surreal die Schritte der anderen Läufer, die sich rasch von mir entfernten. Plötzlich hatte ich Angst, das rechte Bein nicht mehr bewegen zu können. Ich richtete mich halb auf, versuchte, mein Knie zu beugen, und war erleichtert, als es noch ging. Der Schweiß rann mir die Schläfen entlang und brannte in meinen Augen. Ich drehte mich auf den Bauch, legte die Stirn auf meine Arme und versuchte, mich trotz meiner heftigen Atemstöße zu konzentrieren.
    »Rolfi«, schrie mein Trainer. »Aufstehen. Sie kommen!« Am liebsten wäre ich liegen geblieben und hätte mich aufgelöst. Nun meldete sich auch noch ein Schmerz an der rechten Hüfte, dort hatte ich mich beim Sturz aufgerissen. Dieses fiese Brennen der aufgeschürften Haut war wie ein Signal. Ich wollte mich nicht davonschleichen, ich wollte zeigen, dass ich der schnelle Rolf war, wo ich hingehörte, an die Spitze. Ich schaffte es, mich aufzurichten, erst auf die Knie, dann auf die Füße, stemmte mich mit den Händen vom Boden ab und gab ein bisschen Druck auf das rechte Bein. Der Muskel fühlte sich ein wenig pelzig an, aber das Bein schien mich zu tragen. In dem Moment, als der Führende des Rennens heran lief, und ansetzte, um mich zu überrunden – ich erkannte Gabor Frey, genannt Gaby, aus dem bonzenhaften Konkurrenzklub in unserer Stadt – war ich wieder auf den Beinen. Ich fing wieder an zu laufen, erst stockend, dann ein bisschen runder. Richtig schnell ging es nicht, aber die Anfeuerungsrufeder paar Leute am Streckenrand halfen mir weiter. Wahrscheinlich galten sie Frey, er wurde von seinem Vater unterstützt, der immer mit einem Kleinbus voller Freunde herumfuhr. Aber das war mir egal. Ich hörte das Johlen und das »Hopp, hopp« und spürte, dass ich die paar Meter bis ins Ziel noch schaffen würde. Und als ich – als Letzter – die Ziellinie überquerte, klatschten dann wirklich alle. Auch Ferdi stand am Rand der Bahn und applaudierte mir. Frey wurde Meister, und kam als Erstes zu mir.
    »Du gibst wohl nie auf«, sagte er anerkennend und klopfte mir auf die Schulter.
    Obwohl ich völlig fertig war, fühlte ich mich so stark wie nie.
    Es war das Ende meiner Sportlerlaufbahn. Ich bin auf Krücken aus dem Stadion gehumpelt. Der Heilungsprozess verlief langsam, noch während der Abiturprüfungen trug ich eine Bandage am Oberschenkel. Gabor Frey wechselte in meinen Verein und Ferdi Budzinski übernahm sein Training. Ich kam nie mehr in Form und hörte bald danach ganz

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