Schlamm, Schweiß und Tränen
oben auf dem Ama Dablam gab es etliche Situationen, in denen ich dieses blinde Selbstvertrauen und diese große Selbstsicherheit sehr intensiv gespürt habe.
Es war eine Art tollkühne Unerschrockenheit, die nicht ganz ungefährlich ist. Doch ich war aufgekratzt und furchtlos und empfand
eine große Dankbarkeit, dass ich nach meinem Unfall wieder in der
Lage war, so zu klettern. Ich fühlte mich zum ersten Mal wieder richtig stark - und auf dem harten Eis zu schlafen, war für meinen Rücken geradezu perfekt.
Allerdings ist es gefährlich, wenn man beim Klettern allzu selbstsicher ist. (Heute versuche ich jedoch, deutlich weniger Risikobereitschaft an den Tag zu legen, nur um das einmal festzuhalten.) Aber es
ist noch einmal gut gegangen und ich bin schnell und sehr effizient
vorangekommen.
Nach drei harten Wochen hockte ich nun zusammengekauert
oben auf dem Gipfel des Ama Dablam.
Ich war total fertig. Die letzte Seillänge bis zum Gipfelgrat war
extrem anstrengend. Ich kniete zusammengekauert auf dem Gipfel,
um mich vor dem Wind zu schützen, und ließ durch die Schneebrille
meinen Blick nach links schweifen.
Durch die vorbeiziehenden Wolken hindurch konnte ich in der
Ferne den Gipfel des Mount Everest erkennen.
Wie ein rastloser Riese pustete der Berg unaufhörlich den Schnee
von seinem Gipfel.
Erhaben und weithin sichtbar war der Gipfel des Mount Everest
noch etwa 2.000 Meter höher, als ich jetzt geklettert war, - da wurde
mir klar, dass die Everest-Besteigung eine völlig andere Dimension
haben würde.
Und ich fragte mich, auf was in aller Welt ich mich da wieder eingelassen hatte.
Ich hatte es geschafft, wieder heil nach Hause zu
kommen und war mir bewusst, dass ich unbedingt noch fitter werden
musste, ganz gleich, wie fit ich mich auch fühlte.
Denn für die Everest-Besteigung wäre eine Top-Kondition nicht
nur zwingend erforderlich, sondern sie würde sich auch garantiert
auszahlen.
In jeder freien Minute habe ich in den Bergen trainiert und bin
geklettert - in Wales, im Lake District und in den schottischen Highlands.
In diesem Jahr hatte mich mein alter Schulkamerad Sam Sykes
eingeladen, den Jahreswechsel gemeinsam in seinem Haus in Sutherland zu feiern, das ganz oben an der Nordwestküste von Schottland
liegt.
Ich liebe diese urwüchsige und zerklüftete Landschaft in den
Highlands, sie ist einfach einzigartig.
Außerdem befindet sich dort einer meiner absoluten Lieblingsberge
- der Ben Loyal. Das ist ein Berg, eingebettet in eine Moorlandschaft
aus Heidekraut, mit schroffen Felswänden und einem markanten Gipfel aus vier Zinnen, von wo aus man eine spektakuläre Aussicht auf einen Meeresarm hat. Folglich musste Sam mich nicht lange bitten, seine Einladung anzunehmen und dort oben klettern zu gehen.
Während meines Besuchs sollte ich auch jene Frau kennenlernen,
die mein Leben für immer verändern würde; allerdings war ich erschreckend schlecht auf diese Begegnung vorbereitet.
Ich bin ja in erster Linie in den äußersten Zipfel von Nordschottland gefahren, um zu trainieren und zu klettern. Sam hatte mir erzählt, dass noch ein paar andere Freunde vorbeikommen, um mit uns
Silvester zu feiern. Er hatte mir versichert, dass sie mir bestimmt gefallen würden.
Hervorragend. Solange die mich nicht vom Trainieren abhalten.,
dachte ich so bei mir. Außerdem stand mir absolut nicht der Sinn danach, mich zu verlieben. Ich hatte schließlich eine Mission zu erfüllen. Und es waren nur noch zwei Monate, bis die Everest-Expedition
losging.
Mich zu verlieben, das war in meiner Planung einfach nicht vorgesehen.
Zu Sams Freunden gehörte auch dieses junge Mädchen namens
Shara. Sie war sanftmütig wie ein Lamm, wunderschön und humorvoll - und es schien so, als würden mich ihre Augen ganz besonders
freundlich anstrahlen.
Dieses Mädchen war irgendwie außergewöhnlich. Es ging eine so
unglaubliche Wärme und so ein Strahlen von ihr aus, dass ich mich
glatt Hals über Kopf total in sie verknallt habe.
Auf einmal war das Einzige, wonach mir wirklich der Sinn stand,
Zeit mit ihr zu verbringen, mit ihr Tee zu trinken, mit ihr zu plaudern
und ausgedehnte Spaziergänge mit ihr zu unternehmen.
Ich versuchte, gegen dieses Gefühl anzukämpfen, indem ich mir
jede Menge Steine und dicke Bücher in meinen Rucksack packte und
dann ganz allein zu einer Klettertour aufbrach. Doch ich musste unentwegt an dieses hübsche blonde Mädchen denken, das so hinreißend und
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