Schlamm, Schweiß und Tränen
zum Thema Schule.
Ich war als Junge zwar sehr aufgeschlossen, kontaktfreudig und
abenteuerlustig, aber dennoch hatte ich ein sehr großes Bedürfnis
nach liebevoller Zuwendung und der Geborgenheit und Nestwärme
des Elternhauses. Das allein sorgte schon dafür, dass ich erschreckend schlecht darauf vorbereitet war, was als Nächstes auf mich zukommen sollte.
Meine Eltern waren der Meinung, dass es für einen kleinen englischen Jungen richtig und angemessen wäre, ihn in ein Internat zu schicken. In meinen Augen - ich war acht - war das eine blöde Idee. Also
bitte, ich war ja kaum alt genug, mir die Schuhe richtig zuzubinden.
Doch meine Eltern hatten beide das Gefühl, dass dies das Beste für
mich wäre und deshalb haben sie mich - natürlich mit den allerbesten
Absichten - weggeschickt, sodass ich weit entfernt von zu Hause in einer Internatsschule leben und schlafen musste, was ich hasste.
Als wir mit dem Auto vor den großen Schultoren vorfuhren, sah
ich, wie meinem Vater die Tränen übers Gesicht liefen. Ich war irgendwie irritiert, denn ich verstand nicht, wie Eltern aus Wohlwollen oder Liebe heraus bloß meinen konnten, dass dies eine gute Idee wäre.
Denn mein Bauchgefühl war da ganz anderer Meinung; aber was
wusste ich eigentlich schon. Ich war ja erst acht.
Also habe ich mich auf diese Mission namens Internat eingelassen.
Und wie bereitet man sich nun auf eine solche Mission vor?
Um ehrlich zu ein, für mich war das verdammt schwer. Es gab
zwar hin und wieder einige tolle Augenblicke, so zum Beispiel, wenn
ich im Winter Schneehöhlen gebaut habe oder in die Tennismannschaft gewählt wurde oder mir ein Marineabzeichen für meine Schuluniform - einen Naval Button - erworben hatte. Doch alles in allem
war es vielmehr ein Überlebenstraining, bei dem es darum ging zu
lernen, wie ich diese Situation bewältigen kann.
Mit der Angst umzugehen, war die größte Herausforderung: Die
Angst, allein zu sein und die Angst, von den anderen gemobbt zu werden - beide Ängste waren durchaus real.
Doch wie sich herausstellte, war ich allein nicht wirklich in der
Lage, meine Ängste einigermaßen in den Griff zu bekommen - weder
die eine Angst noch die andere.
Das hatte zwar überhaupt nichts mit der Schule an sich zu tun -
genau genommen waren der Schulleiter und die Lehrer fast ausnahmslos nette, wohlwollende und gute Menschen -, aber leider
machte mir dies das Überleben nicht gerade sehr viel leichter.
Ich habe also sehr früh begriffen, dass ich unbedingt eine Methode zur Angstbewältigung finden muss, wenn ich dieses Internat überleben will.
Meine Art damit umzugehen bestand darin, mich schlecht zu benehmen und zu lernen, wie ich mich meiner Haut wehren konnte,
denn auf diese Weise versuchte ich zu vermeiden, dass ich zur Zielscheibe für die Rabauken wurde. Aber es war auch eine gute Methode, um nicht an zu Hause denken zu müssen. Doch nicht an zu Hause
zu denken ist sehr schwer, wenn man am liebsten zu Hause wäre.
Ich habe meine Mutter und meinen Vater fürchterlich vermisst,
und so manche Nacht, wenn ich ganz großes Heimweh hatte, habe
ich leise vor mich hin ins Kopfkissen geheult, während alle anderen
im Schlafsaal tief und fest schliefen.
Genau genommen war ich aber nicht der Einzige, der geheult hat.
Fast alle haben geheult, doch jeder hat gelernt, seine Tränen vor den
anderen zu verstecken; nur diejenigen, die das nicht schafften, wurden schikaniert.
Auch ein Kind kann nicht ununterbrochen weinen, denn irgendwann gehen ihm die Tränen aus und dann muss es lernen sich durchzubeißen.
Ich lerne heute eine Menge Leute kennen, die der Meinung sind,
dass das Internat sich hervorragend dazu eignet, um seine Kinder abzuhärten und selbstbewusster zu machen. Meiner Meinung nach ist
aber eher das Gegenteil der Fall. Denn ich war viel selbstbewusster
und härter im Nehmen, bevor ich in die Schule kam. Ich hatte nicht
nur meine Liebe für Unternehmungen in der freien Natur entdeckt
und gelernt, die Gefahren zu erkennen, denen ich draußen in der unberührten Natur begegne, sondern ich wusste auch genau, was ich
mir zutrauen konnte und was nicht.
Als ich dann in die Schule kam, hatte ich auf einmal nur noch
Angst. Doch Angst zwingt einen, nach außen hin den Starken zu
markieren, während sie tief im Innersten das Gefühl von Schwäche
hinterlässt. Das war jedenfalls das absolute Gegenteil von dem, was
ich bis dahin in meiner Kindheit kennengelernt hatte.
Denn
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