Schlamm, Schweiß und Tränen
ich denn Taff erkennen? ", fragte mein Vater.
„Du wirst ihn erkennen", antwortete ich. Denn Taff hatte ein
durch und durch militärisches Aussehen: Er war klein und stämmig,
hatte streng zurückgekämmtes Haar und einen klassischen Schnauzbart, wie viele Soldaten ihn tragen.
Taff holte meinen Vater ab und wir trafen uns alle am Fuß der
Brecon Beacons. Um die Gipfel der Bergkette heulte ein kräftiger
Wind. Wir hatten bereits die Hälfte des Weges hinauf zum ersten
Gipfel hinter uns gebracht, doch nachdem wir einen reißenden Sturzbach überquert hatten, was für einige Aufregung sorgte, da der Bach
normalerweise eher einem Rinnsal gleicht, merkte ich auf einmal,
dass mein Vater sehr starkes Nasenbluten hatte.
Da er ziemlich bleich und erschöpft aussah, haben wir uns auf den
Rückweg gemacht.
Mein Vater und ich haben ein paar tolle Tage miteinander verbracht, wie zum Beispiel bei dieser Bergwanderung. Doch als er nach
Hause zurückkam, beschuldigte mich meine Mutter, dass ich ihn fast
umgebracht hätte und ließ uns wissen, dass für uns beide ab sofort
„jegliche Art von Todesexpeditionen` strengstens verboten sind."
Mir war zwar durchaus bewusst, dass die Angst, ihrem Mann
könnte etwas zustoßen, in ihrer Vergangenheit begründet lag, doch
irgendwie hat sie ziemlich überreagiert und das Kind gleich mit dem
Bade ausgeschüttet. Denn dieses generelle Verbot, das sie über unsere
gemeinsamen Ausflüge verhängt hatte, bedeutete doch im Prinzip
nur, dass mein Vater und ich auf eine ganze Menge lustige Abenteuer
verzichten mussten, die er - das weiß ich - wahnsinnig gern mit mir
unternommen hätte.
Und jetzt, wo mein Vater nicht mehr da ist, bin ich traurig darüber, dass wir diese wertvolle gemeinsame Zeit nicht viel intensiver
ausgekostet haben. Aber so ist das eben manchmal im Leben.
Das letzte echte Abenteuer, das ich als Heranwachsender zusammen
mit meinem Vater erlebt habe, brachte mich zum ersten Mal in eine lebensbedrohliche Situation, eine, in der es wirklich um Leben und Tod
ging. Aber - Gefahr hin oder her - es machte mir einfach Spaß.
Diese letzte gemeinsame Mission hatte vermutlich auch etwas damit zu tun, dass meine Mutter meinem Vater und mir jegliche Art
riskanter Unternehmungen in der freien Natur strengstens untersagt
hatte. Aber wie bei allen großen Abenteuern begann auch dieses zunächst ganz harmlos ...
Wir haben mit der ganzen Familie Urlaub auf Zypern
gemacht, um meine Tante und meinen Onkel zu besuchen. Mein Onkel Andrew war damals Brigadegeneral der gesamten britischen
Streitkräfte, die auf der Insel stationiert waren. Und da er schließlich
der ranghöchste Stabsoffizier war, muss ihm sicherlich vor unserer
Ankunft gegraut haben.
Nachdem wir uns einige Tage in der Kaserne verkrochen hatten,
schlug mein Onkel ganz unbedarft vor, dass uns ja vielleicht ein Ausflug in die Berge ganz gut gefallen würde. Dabei wusste er schon im
Voraus, welche Antwort er von mir und meinem Vater bekommen
würde. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen.
Das Troodos-Gebirge ist ein Bergmassiv, das sich mit seinen
schneebedeckten Gipfeln südwestlich im Landesinneren der Insel erhebt. Die in Zypern stationierten Soldaten nutzen die Berge nicht nur
zum Skifahren, sondern auch als Trainingsgebiet. Es gibt zwar einige
Skipisten, aber die meisten der Berghänge sind in der Winterzeit völlig unberührt und ursprünglich.
In anderen Worten: Sie sind ein Abenteuer wert.
Mein Vater und ich haben uns dann in der Kaserne oben in den
Bergen eine Armee-Skiausrüstung samt Stiefeln ausgeliehen und gemeinsam einen tollen Nachmittag verbracht, indem wir die ausgeschilderten Pisten hinuntergefahren sind. Doch ausgeschilderte Pisten können auch ganz schön langweilig sein. Wir haben einander angeschaut und waren uns einig, dass wir einen kurzen Schlenker in
unberührtes Terrain jenseits der Piste machen wollten.
Ich war absolut unerschrocken ..., und das mit elf Jahren.
Wir waren bei unserem Abstecher in den tiefen Pulverschnee
„mitten durch die Bäume" noch nicht sehr weit gekommen, als sich
ganz plötzlich das Wetter extrem verschlechterte.
Vom Berg her rollte eine dicke Nebelwand auf uns zu, wodurch
unsere Sichtweite fast auf null sank. Wir stoppten und versuchten,
wieder zur Piste zurückzufinden beziehungsweise Mutmaßungen darüber anzustellen, in welcher Richtung die Piste lag, doch als sich unsere Vermutungen als falsch erwiesen, wurde uns schnell
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